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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden
Autoren: Caroline Graham
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traurig sein, sich aber wieder erholen. Sie hatten einen Vater, Großeltern und Freunde. Leo würde wieder heiraten. Irgendeine junge Frau. Vielleicht würden sie eine neue Familie gründen. Sie würde aus der Welt verschwinden, und die Welt würde sich hinter ihr schließen, und innerhalb kürzester Zeit wäre es so, als hätte sie nie existiert. Sie suchte nach einem Grund, sich nicht ihrer eigenen Zerstörung zu übergeben, doch ihr fiel keiner ein.
      Es war ein schlechter Moment gewesen, als ihr Mann ihm die Tür geöffnet hatte. Zu dem Zeitpunkt hätte er schon längst mit seinen albernen kleinen Kindern in seinem albernen Wagen sitzen und davongefahren sein müssen. Aber er hatte nur gesagt: »Ah - da sind Sie ja. Kommen Sie herein.« Dann hatte er sich davongemacht und ihn mit ihr allein gelassen. Dieser Genuß. Was er hinterher durchmachen würde. Er hätte ihr ebensogut einen Apfel ins Maul stecken und sie fesseln können, wenn er schon einmal dabei war. In den wenigen Minuten, die er gebraucht hatte, um sich unten zu verabschieden, hatte Fenn die Ironie des Ganzen ausgekostet. Es wunderte ihn ein wenig, daß sie die Polizei offensichtlich erwartet hatten, sagte sich dann aber, daß dies nach seinen lustigen Bandaufnahmen und Telefonanrufen nicht verwunderlich war. Vielleicht hatte sie irgendeine Aussage gemacht. Vielleicht sogar um Polizeischutz gebeten. Darüber konnte er sich totlachen. Von den Kindern war nichts zu sehen.
      Ihm fiel auf, daß er ihr auf seltsame Weise dankbar war. Ohne sie hätte er nie gewußt, wie clever er sein konnte. Bevor er sie kennengelernt hatte, war sein Leben, wie er jetzt erkannte, ein einziges Durcheinander gewesen. Ein Wirrwarr zielloser Lüste und neidvoller Regungen ; sobald ihm seine Aufgabe klargeworden war, war Klarheit und Ordnung in sein Leben eingekehrt, hatte es einen Sinn bekommen. Jetzt waren sie einander gleich. Reich und berühmt; die Worte, die ihm früher wie Galle aufgestoßen waren, erwiesen sich jetzt in ihrem wahren Gehalt. Sie war reich und berühmt, und es hatte ihr nichts gebracht. Jetzt war sie ihm nicht einmal ebenbürtig; sie war sein Opfer.
      Mit dem offenen Haar, das ihr über die gebeugten Schultern fiel, sah sie sehr schön aus. Sie trug ein Kleid aus einem weichen, aprikosenfarbenen Material, das sich an ihren wundervollen Körper anschmiegte. Erst würde er sie nehmen, und, mein Gott, das würde aufregend sein, nicht wie bei Sonia, die sich ihm, dumm wie sie war, bereitwillig hingegeben hatte. Aber die hier würde er auch dazu bringen, daß sie ihn wollte, und wenn ihm das nicht gelang, nun ja... er spürte, wie sehr ihn diese Aussicht erregte ... das wäre vielleicht sogar noch besser. Er begann zu sprechen. Sein Tonfall war zwar sanft, das, was er sagte, hingegen um so weniger. Er beschrieb sich selbst, erzählte ihr, was mit seinem Körper vorging, und dann beschrieb er ihren Körper. Zunächst, wie er ihn sich in seinem Zimmer vorgestellt hatte, dann, wie er ihn jetzt sah und was er damit machen würde. An einem Punkt seiner Schilderung (er beschrieb gerade einen seiner komplizierten kleinen Tricks), richtete sie sich auf und hielt sich die Hände an die Ohren, und durch diese Bewegung preßten sich ihre Brüste gegen ihr enges Kleid. Dieser bewußte Versuch, ihn zu verführen, enttäuschte Fenn ein wenig. Sobald er nur einen kleinen Vorstoß machte (wirklich geistreich), war sie wie alle anderen, konnte es kaum erwarten.
      Und dann passierten zwei Dinge. Er trat nach vorn, was ein Fehler war. Er erkannte sofort, daß er damit den Bann gebrochen hatte. Dann bewegte sich hinter ihm der Briefkasten.
      Rosa, die jetzt über seine Schulter blickte, sah das und konnte nicht verhindern, daß sich auf ihrem Gesicht eine Reaktion zeigte. Aufregung, Hoffnung und dann Wut über ihre eigene Dummheit. Durch ihre Unfähigkeit, ihre Gefühle zu verbergen, hatte sie den einzigen Vorteil vertan, den der, wer immer da draußen sein mochte, gehabt hatte. Der Überraschungsmoment. Doch sie hatte nicht mit Fenns überwältigender Selbstgefälligkeit gerechnet.
      »Für wen hältst du mich eigentlich, Rosa? Das ist der älteste Trick der Welt. Du siehst über meine Schulter, gibst Erstaunen vor, ich dreh mich um, du rennst los oder stürzst dich auf mich. Meinst du, ich würde nie ins Kino gehen?« Er spürte, daß er mit diesen Worten seine Überlegenheit halbwegs wiederhergestellt hatte. Keiner durfte es wagen, ihn zum Besten zu
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