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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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einnahm. Kristalle fingen das Licht, vervielfältigten
es und warfen blitzende Reflexe auf die blendend weiße Tischwäsche. Geschliffene
Kristallgläser funkelten mit dem Lüster und dem Tafelsilber um die Wette.
    Als sie zur stuckverzierten
Decke hinaufschaute und Betrachtungen darüber anstellte, wie prächtig erst der
Herr des Hauses residieren mochte, wenn schon sein Kammerherr sich mit solchem
Luxus umgab, räusperte sich jemand neben ihr. Sallie schrak auf und starrte in
die Augen des Beikochs Endrit, der sie durch die Tür anblickte.
    »Geh«, formten seine Lippen
und er nickte zu den sechs Männern hin, die am anderen Ende des fensterlosen,
großen Raumes plaudernd und rauchend zusammenstanden.
    Sallies Pantinen klapperten
laut auf dem blank polierten Parkett zwischen den Teppichen. Sie errötete und
bemühte sich, besonders vorsichtig aufzutreten, als sie sah, dass sich ihr
Gesichter zuwandten, einige mit verwunderten oder lächelnden Mienen, aber
andere mit unmutig gerunzelter Stirn.
    Sallie knickste vor einem
großen, fülligen Mann, der sie mit zusammengekniffenen Augen vom Kopf bis zu
den Pantinen musterte. Der Kammerherr pflegte hin und wieder höchstpersönlich
in der Küche aufzutauchen, und einer der Hilfsköche hatte ihr erklärt, wer er
war.
    »Was darf ich den Herrschaften
zu trinken bringen?«, fragte sie leise.
    »Du bist neu, wie?«, fragte
der Kammerherr zurück. »Sieh mich an, Mädchen. Steh gerade.« Sein durchdringender
Blick ließ sie noch tiefer erröten. Kammerherr Krikor hatte ein volles Gesicht
von gesunder Farbe, in dem große, ein wenig vorstehende und farblose Augen
saßen. Sein rötlich blondes Haar war in einen sorgsam mit schwarzem Samtband
umwickelten kurzen Zopf gebunden.
    »Ich bin Sallie«, sagte
Sallie. Die Wirtschafterin hatte ihr nachdrücklich eingeschärft, ihren
eigentlichen Küchenstatus auf keinen Fall zu verraten – und der Majordomus
hatte zu ihren Worten nur schmerzlich die Augen verdreht.
    »Sallie, so. Wie alt bist du?«
    Sallie sah Hilfe suchend in
die Runde. Der Kammerherr hatte offensichtlich vor, Konversation zu machen oder
sie gründlich kennenzulernen, ehe er sich von ihr ein Getränk servieren ließ.
Die ihr zugewandten Gesichter zeigten alle Nuancen von absolutem Desinteresse
bis zu freundlicher Aufmunterung. Sie unterdrückte einen Seufzer und antwortete:
»Fast vierzehn, Herr.«
    »Fast vierzehn, so.«
    Sallie musste bei aller
Anspannung ein Lächeln unterdrücken. Kammerherr Krikor wiederholte jede ihrer
Aussagen mit seiner ein wenig blechernen Stimme, als wäre er der Zwillingsbruder
des Echos im großen Gewölbekeller unter der Küche.
    Der Kammerherr beäugte sie wie
eine seltene, wenn auch nicht besonders wohlriechende Blume, die sich in seinen
Vorgarten verirrt hatte.
    »Nun, Sallie, die du fast
vierzehn bist – bringe mir einen gut gekühlten Weißwein«, kam er schließlich
doch noch zum eigentlichen Zweck ihres Hierseins.
    Sallie knickste erleichtert
und wandte sich mit fragender Miene an die anderen Herren der Runde. Mit den
Bestellungen, die sie ständig halblaut vor sich hin murmelte, kehrte sie in den
Vorraum zurück und ließ sich von Endrit dabei helfen, den Wein richtig zu
dekantieren. Dann balancierte sie das silberne Tablett mit den leise klirrenden
Gläsern zu den Männern hinüber, die sich zu ihrer Erleichterung nun nicht
weiter um sie kümmerten, abgesehen davon, dass sie ihr die Gläser abnahmen.
    Als sie mit erhitzten Wangen
wieder im Vorraum bei den beiden Hilfsköchen eintraf, hörte sie draußen die
Stimme des Kammerherrn: »Meine Herren! Begeben wir uns zu Tisch. Unser geschätzter
Apotheker wird im Verlauf des Abends noch zu uns stoßen, fangen wir also
einstweilen ohne ihn an.«
    Schritte, Gemurmel,
Stühlerücken. Sallie sah fragend die beiden Köche an. Endrit deutete auf die
vorbereiteten Teller aus feinem Porzellan und murmelte: »Zuerst der Kammerherr,
dann rechtsherum. Und frage jeden nach seinem Getränkewunsch.«
    Sallie griff nach den ersten
beiden Tellern, auf denen appetitlich gekräuselte Schinkenrosetten neben
kunstvoll geschnitztem Gemüse und kleinen Klecksen dicker roter, safranfarbener
und goldbrauner Sauce arrangiert waren.
    Endrit nahm drei
silbergeflochtene Körbe mit warmem, krustigem Weißbrot und nickte Sallie aufmunternd
zu.
    Sie ging voraus, stellte dem
Kammerherrn einen Teller vor die erwartungsvollen rosigen Hände und fragte
leise nach seinen Wünschen. Endrit und Imer reichten ihr die Teller
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