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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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gut. Es muss reichen.«
Sie seufzte ein wenig. »Die Schuhe«, murmelte sie.
    Sallie blickte an sich hinab.
Es stimmte, zu den schneeweißen Strümpfen, die unter dem Rock hervorblitzten,
sahen ihre alten Holzpantinen grauslich aus.
    »Daran können wir jetzt nichts
ändern. Steh gerade, Kind!« Sie legte den Finger nachdenklich an ihre Lippen.
»Hast du schon einmal bei Tisch aufgewartet?«, fragte sie.
    Sallie verneinte. Die
Wirtschafterin wechselte einen stummen Blick mit der Wäschemamsell, die nickte
und aus dem Raum eilte.
    Sallie und die Wirtschafterin
sahen sich schweigend an. Sallie sah eine kräftig gebaute Frau mit scharfen
dunklen Augen, einem strengen Mund, einer großen Nase und einem grau melierten
Knoten unter dem akkuraten Häubchen.
    Die Wirtschafterin sah ein
junges Mädchen mit glattem braunen Haar, einem breiten Mund, Sommersprossen auf
der spitzen Nase und aufgeregten braunen Augen.
    Beide seufzten. Die
Wirtschafterin lächelte schwach. »Wer sind deine Eltern?«, fragte sie.
    Sallie spürte, wie sie
errötete. »M meine Mutter war Küchenmädchen, hat man mir gesagt«, stammelte
sie. »Mein Vater soll einer der Hausdiener sein. Aus dem Südflügel«, fügte sie
mit einem Hauch Stolz hinzu.
    »Deine Mutter lebt nicht
mehr?«
    Das Mädchen schüttelte den
Kopf. »Ich kann mich nicht an sie erinnern«, sagte sie.
    Die Wirtschafterin nickte ohne
großes Interesse. Wieder schwiegen beide. Als die Tür aufklappte, drehte Sallie
sich erleichtert um. In der Öffnung stand Genta und rang die Hände, hektische
Flecken auf den Wangen. »Der Majordomus hat sich selbst bemüht«, rief sie atemlos.
    Die Wirtschafterin scheuchte
Sallie mit einer herrischen Handbewegung zur Tür. »Auf, Mädchen, du hast es
gehört. Man lässt den Majordomus nicht warten!«
    Sallie fühlte, wie ihr die
Knie weich wurden. Es war schon schlimm genug, mit der Wirtschafterin im
Besteckraum Konversation zu machen. Aber jetzt hatten sie irgendetwas mit ihr
vor, und der Majordomus sollte eine Rolle dabei spielen!
    Sie bekam keine Gelegenheit,
darüber ins Grübeln zu geraten, denn die feste Hand der Wirtschafterin schob
sie in den Speiseraum, in dem die Köche ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten.
Der lange Tisch war eingedeckt und an seinem Kopfende wartete die grämliche
Gestalt des Majordomus.
    »Was ist das?«, sagte er, als
er Sallie erblickte, und sein langes Gesicht wurde noch eine Spur länger.
    »Das, Herr Kostandin«,
erwiderte die Wirtschafterin mit leisem Tadel in der Stimme, »ist Sallie. Sie
ist eins meiner Küchenmädchen.«
    »So sieht sie auch aus«,
murmelte der Mjordomus. »Also meinetwegen. Wenn du glaubst, dass du sie dem
Kammerherrn zumuten kannst – bitte. Es liegt in deiner Verantwortung, Frau
Lulezime.«
    Sallie stöhnte unterdrückt. Über
all der Aufregung hatte sie vollkommen vergessen, dass Marsela einer
Abendgeselligkeit des Kammerherrn zugeteilt gewesen war.
    »Du, Mädchen«, sagte der
Majordomus scharf. »Merke auf! Du wirst bei noblen Herrschaften aufwarten, die
eine perfekte und unauffällige Bedienung erwarten. Wir müssen jetzt zusehen,
dass wir dir wenigstens die Grundbegriffe davon einbläuen.« Er schüttelte den
Kopf und kniff die ohnehin schmalen Lippen zusammen, und Sallie konnte seine
Gedanken förmlich von seiner zerfurchten Stirn ablesen.
    »Ja, Herr«, sagte sie mit
einem Knicks. »Ich werde mich bemühen, Herr.«
    »Einbläuen« war der richtige
Ausdruck, dachte sie, als sie nach einer halben Stunde erneut ein Weinglas
auffüllte. Es ging trotz ihrer bebenden Finger zum ersten Mal ohne peinliche
Spritzer ab und sie verdrehte dankbar die Augen.
    »Keine Grimassen!« Dem
gestrengen Blick des Majordomus entging nichts, aber auch gar nichts. Er
blickte zur Tür, in der der zweite Koch stand und fragend die Augenbrauen hob.
    »Das muss reichen«, murmelte
der Majordomus mit einem resignierten Heben seiner Achseln. »Bei jeder anderen
Gelegenheit hätte ich einen meiner Diener geschickt, aber der Kammerherr ...«,
er schüttelte schwach den Kopf. »Nun lauf, Mädchen. Vergiss nicht, was du
gelernt hast!«
    Sallie knickste und ging zur
Tür.
    »Warte«, sagte die
Wirtschafterin, die mit einem Glas Wein in der Hand am Tisch saß und ebenso
erschöpft aussah, wie Sallie sich fühlte. Sie hob die Hand und rückte ihr das
verrutschte Häubchen zurecht. Dann gab sie ihr einen kleinen aufmunternden
Klaps. »Mach mir keine Schande«, flüsterte sie.
     
    Sallie nickte mit erstarrter
Miene und folgte
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