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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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Beikoch das schluchzende Serviermädchen
hinausführten. Ein Scheuerjunge wischte die verschüttete Lache auf und die Köche
widmeten sich wieder ihrem lautstarken Tun.
    »Wie heißt du? Sallie, nicht
wahr? Dreh dich um.« Sallie gehorchte verwirrt. »Wo ist die Wäschemamsell?«,
rief die Wirtschafterin in die Küche.
    »Genta«, rief eine der
Kaltmamsells. »Genta«, wiederholte hinten bei den Spülsteinen ein Chor von
Stimmen.
    Wenig später kam die
rothaarige Wäschemamsell angelaufen und knickste hastig vor der Wirtschafterin,
die immer noch an der verdutzten Sallie herumdrehte,  klopfte und –fingerte wie
an einem verdächtigen Bratenstück.
    »Genta, ich brauche eine
komplette Garnitur für die Kleine hier«, sagte sie und zupfte kopfschüttelnd an
Sallies zerzausten Stirnfransen. »Meine anderen Serviermädchen sind alle im
Dienst, und Marsela, das dumme Ding, hat sich gerade den Arm verbrannt.«
    Genta nickte stumm und lief
aus der Küche. Sallie starrte die Wirtschafterin an. Ihr schwirrte der Kopf.
Die Wirtschafterin betrachtete sie mit Missbilligung im Blick, als sei sie ein
misslungenes Soufflé.
    »Ich soll servieren?«, wagte
Sallie schließlich die Frage zu stellen, die ihr auf der Zunge brannte.
    Statt einer Antwort rief die
Wirtschafterin: »Bringt mir eine Schüssel mit Seifenwasser, einen Schwamm und
ein Handtuch!« Und, mit einem Kopfschütteln: »Wir müssen dich irgendwie
präsentabel bekommen, Kind. Du siehst aus wie ein Kobold mit einem Vogelnest
auf dem Kopf.«
    Sallie lief rot an.
    Die Wirtschafterin krempelte
die Ärmel ihres Kleides hoch, griff mit ihren großen Händen nach dem Schwamm
und begann energisch Sallies Gesicht und Hals abzurubbeln. Die Scheuerjungen
und Küchenmädchen ringsum vergaßen ihre Arbeit und sahen mit offenem Mund dem
Schauspiel zu. Warmes Wasser lief Sallie in den Ausschnitt, und sie schüttelte
sich wie eine geduschte Katze, aber die großen Hände hielten sie unbarmherzig
fest.
    »Abtrocknen«, befahl die Wirtschafterin
schließlich, und Sallie vergrub dankbar ihr brennendes Gesicht im Handtuch.
    Dann nestelte sie an Sallies
Zöpfen herum. »Das müssen wir irgendwie hochstecken«, murmelte sie. »Zeig deine
Finger. Ach du lieber Himmel.« Sie griff nach Sallies Händen und tauchte sie in
die Wasserschüssel. »Rubbeln«, befahl sie. »Und mach dir die Nägel sauber.«
    »Ich hab Rote Bete geputzt«,
murmelte Sallie verlegen.
    Die Wirtschafterin hörte ihr
nicht zu. »Genta! Wo bleiben die Kleider?« Ihre tiefe Stimme übertönte mühelos
den Lärm der Küche.
    »Ich komme ja«, rief die
Wäschemamsell atemlos. Sie eilte herbei, ein Bündel Stoff unter dem Arm.
    Wortlos zog die Wirtschafterin
an der Verschnürung von Sallies Rock. Die Scheuerjungen und Hilfsköche, die sie
umringten, johlten. Sallie japste und hielt den Rock fest. »Bitte«, sagte sie
flehend.
    Die Wirtschafterin hielt inne,
die Winkel ihres strengen Mundes hoben sich ein paar Millimeter. »Gehen wir in
die Besteckkammer«, sagte sie.
    Dankbar folgte Sallie den
beiden Frauen in die Stille des Nebenraums. Zwischen den Schränken und Truhen
mit Tafelgeschirr und Essbestecken schälte sie sich aus ihren Kleidern und
stand fröstelnd in ihrer fadenscheinigen Wäsche da.
    Steifer, nach Lavendel
duftender Stoff fiel über ihren Kopf und schmiegte sich an ihre Haut. Hände
nestelten an ihr herum, knöpften, rupften, zupften, schnürten, bis ihr Hören
und Sehen verging.
    »So«, sagte die Wirtschafterin
ein wenig atemlos. »Lass dich anschauen, Mädchen. Dreh dich.«
    Sallie drehte sich und freute
sich am schweren Fall des dunklen Stoffes, an den Bewegungen des Rockes, am
ungewohnten Gefühl des gepolsterten Unterrockes, der sich weit ausladend über
den Hüften bauschte, an den weichen weißen Manschetten, der hübschen
blütenweißen Schürze, dem engen Sitz des Mieders, dessen Ausschnitt ein
zierlich gerafftes Fichu bedeckte ...
    »Halt«, sagte die
Wirtschafterin. »Deine Haare.« Sie griff in ihre Schürzentasche und holte einen
Kamm hervor. Wieder ging das Nesteln und Zupfen los, aber dieses Mal konnte
Sallie nicht stumm bleiben. »Au«, beschwerte sie sich. »Aua!« Aber die
Wirtschafterin zerrte, ziepte und flocht unbeirrt weiter, bis die ungebärdigen
Zöpfe sich in einem braven Kranz um Sallies Kopf gelegt hatten.
    »So, jetzt noch das Häubchen«,
sagte sie schließlich und steckte etwas auf Sallies Scheitel fest. »Lass
sehen.« Sie betrachtete das Mädchen mit kritischer Miene.
    »Nun
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