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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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lächelte freundlich. Er war
während des ganzen Abends sehr aufmerksam zu ihr gewesen, nicht so gleichgültig
wie die anderen, die sie behandelt hatten wie ein laufendes Möbelstück. Und er
hatte sie auch nicht mit lüsternen Blicken taxiert wie der Kammerherr und der
ältere Mann, der ihm schräg gegenüber Platz genommen hatte. Sallie lächelte
zurück.
    Dann füllte sie die Gläser der
Herren und sah zu, wie der Kammerherr Karten austeilte.
    Ihr Blick fiel auf den später
Eingetroffenen, der jetzt dem Kammerherrn gegenübersaß. Er drehte ein kleines
Glas mit klarem Obstbrand zwischen den Fingern und fixierte mit ausdruckslosem
Gesicht sein Visavis. Er scheint sich nicht sonderlich gut zu amüsieren, dachte
sie.
    Als hätte er ihre Gedanken
vernommen, nahm er jetzt die Karten auf, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und
warf einen gleichgültigen Blick hinein. Er legte zwei beiseite und nickte dem
Kammerherrn zu, der ihm zwei neue hinschob.
    »Also?«, sagte der Kammerherr
und blickte in die Runde. Zwei der Herren legten ihr Blatt beiseite und
schüttelten bedauernd den Kopf. Die anderen deckten der Reihe nach eine Karte
auf.
    Der Kammerherr lachte breit
und schob einen kleinen roten Kiesel in die Tischmitte. Zögernd folgten die
anderen mit andersfarbigen Steinchen. Als Letzter legte der Zuspätgekommene
seinen Stein ab, er war schwarz. »Ritt«, sagte er leise.
    Der Kammerherr zischte durch
die Zähne. »Du willst es wissen, he?«
    Er zog eine Karte aus seinem
Blatt und warf sie in einer herausfordernden Geste auf den Tisch. »Gelb geht«,
sagte er. Der Mann, der das gelbe Steinchen hinzugefügt hatte, erbleichte. Er
hielt seine Karten krampfhaft fest umklammert und suchte mit wilden Blicken
darin herum, ehe er einen erleichterten Seufzer ausstieß und eine Karte
ablegte. »Gelb steht«, sagte er, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und wischte
sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.
    Der Kammerherr nickte dem
Besitzer des schwarzen Steinchens zu. »Ben?«
    Der so Angesprochene schenkte
seinen Karten keinen Blick. Er zog eine Karte aus der Hand und warf sie ab.
»Ich fordere Blau«, sagte er.
    Der ältere Mann mit dem blauen
Kiesel hüstelte und warf eine Karte von sich, als sei sie vergiftet. »Blau gibt
auf«, murmelte er.
    Der schwarze Spieler nahm das
blaue Steinchen und lächelte dünn. »Ich verstärke«, sagte er.
    »He, Mädchen«, rief der
Kammerherr. Er hatte die Stirn gerunzelt und vertauschte einige Karten in
seiner Hand gegeneinander. »Bring uns zu trinken!«
    Sallie eilte mit der Flasche
um den Tisch. Inzwischen waren alle zu dem starken Obstbrand übergegangen, den
auch der schwarze Spieler trank. Sie warf einen neugierigen Blick auf die
Karten, die auf dem Tisch lagen. Der Anblick war enttäuschend. Statt hübscher
bunter Bilder sah sie nur karge Symbole darauf – Sterne, Rauten, Pfeile, Kreise
und Dreiecke ...
    Der Kammerherr tätschelte
ihren Hintern, während sie ihm einschenkte, und warf ihr einen Blick zu, der
sie erröten ließ.
    »Also«, rief er, als sie
weiter um den Tisch ging. »Ich fordere Grün!«
    Der grüne Spieler zeigte die
Zähne und legte eine Karte ab. »Widerspruch«, sagte er.
    Jemand kicherte, und der
Kammerherr, der finster brütend auf seine Karten gestarrt hatte, blickte aufgebracht
in die Runde. »Schiebe«, fauchte er.
    Der schwarze Spieler, den der
Kammerherr »Ben« genannt hatte, lächelte schmal und bösartig: »Ich nehme an.«
    Der Kammerherr griff nach dem
Kartenpäckchen, das vor ihm lag, und gab jedem der Spieler neue Karten. Alle
nahmen wieder ihre Kieselsteinchen auf, dann folgte leises Gemurmel und
Geseufze.
    Ben legte seine Karten
verdeckt auf den Tisch und blickte den hübschen Lockenkopf an, der ruhig dasaß
und ein violettes Steinchen in den Fingern drehte. »Passage«, sagte er, und der
Lockenkopf lächelte.
    »Passage«, bestätigte er und
schob seine Karten zu Ben hinüber, der sie aufnahm und nickte. Der Lockenkopf
legte seinen Kiesel in die Tischmitte und nahm dann die Karten in Empfang, die
der schwarze Spieler ihm reichte.
    Der Kammerherr knurrte nun den
gelben Spieler an: »Passage!« Der Mann ächzte leise und reichte seine Karten
dem Kammerherrn. Der blickte hinein und knurrte wieder. »Abgelehnt«, bellte er.
Der gelbe Spieler stand halb aus seinem Stuhl auf, hob protestierend die Hand –
»Abgelehnt«, wiederholte der Kammerherr und fixierte ihn bösartig. Der Spieler
legte mit zitternder Hand sein Steinchen in die Tischmitte. Der
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