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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan
Autoren: Gayle Lynds
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klügsten gewesen.
    Hier war ihr Leben ganz anders als in den finsteren Zeiten, als sie herausgefunden hatte, dass ihre Eltern Auftragskiller waren. Sie konnte sich nicht vorstellen, glücklicher zu sein als jetzt, und das hatte sie Grey Mellencamp zu verdanken, der ihr damals, vor all den Jahren, zu diesem Schritt geraten hatte. Nur schade, dass er so kurz danach gestorben war. Sie hätte ihm gern gesagt, wie sehr er ihr geholfen hatte.
    Sobald sie mit dem Dehnen fertig war, walkte sie in Richtung des Marine Sciences Institute der Universität los. Sie fühlte sich so leichtfüßig und energiegeladen, als träte sie zu einem Wettbewerb an. Als zweite Sportart betrieb sie noch regelmäßig Karate-do, eins der wenigen Relikte ihrer früheren Geheimdiensttätigkeit. Ihr Weg führte vorbei an den allgegenwärtigen Cabrios, an den von Styroporbechern aus der Mesa Coffee Company überquellenden Abfalleimern und an Studentinnen in augenklappengroßen Bikinis, die ohne Rücksicht auf Melanome auf den Terrassen vor ihren Unterkünften saßen. Nur wenige Palmen zierten das Universitätsgelände. Stattdessen verbreiteten Platanen, Magnolien und exotische Eukalyptusbäume Country-Club-Flair.
    Als sie den gedrungenen Bau, in dem das meeresbiologische Labor untergebracht war, vor sich auftauchen sah, begann sie zu laufen. Sie ließ das Gebäude hinter sich zurück und erreichte die kleine sandige Landzunge, die die große Lagune der Universität umgab. Auf dem felsigen Kliff, das vor ihr aufragte, war niemand zu sehen. Gut so. Sie geriet langsam ins Schwitzen, als sie den sandigen Grat zu dem unbefestigten Pfad hinauftrabte, der oben auf dem schmalen Kliff verlief. Der Wind fuhr flüsternd durch ihr Haar. Ihre Beinmuskeln arbeiteten.
    In der sauberen, salzigen Luft blickte sie nach rechts, wo wilde Gräser und Sträucher und Büsche dem Boden des Abhangs Halt verliehen, der sanft zu einer blauen Lagune abfiel, die so gut vor den Elementen geschützt war, dass kaum eine Welle ihre Oberfläche kräuselte. Auf der anderen Seite befand sich der Campus, wo einige vereinzelte Studenten, die sich offensichtlich zu den Vorlesungen verspätet hatten, in den Unterrichtsgebäuden verschwanden. Und dann war der Campus plötzlich vollkommen menschenleer, ein perfektes Stillleben aus schlichten modernen Gebäuden und sorgfältig gepflegten Bäumen, wie aus einem Bildband mit preisgekrönten Architekturaufnahmen.
    Liz fiel wieder in ihr gewohntes langsames, aber stetes Schritttempo zurück und schaute nach links auf das Meer, dessen türkises Glitzern sich bis zu den dreißig Kilometer entfernten Channel Islands erstreckte. Hier, auf der dem offenen Meer zugewandten Seite, war die Vegetation völlig anders, nicht dicht und aufrecht und zäh wie auf dem Abhang zur Lagune, sondern mickrig und verkrümmt von dem ständigen Kampf, aus Felsspalten zu wachsen, in denen sie den erbarmungslosen Pazifikwinden ausgesetzt war. Tief unter ihr – mindestens fünfzehn Meter – konnte Liz das Rauschen der Brandung hören, aber sehen konnte sie es vom Weg aus nicht.
    Das Kliff zog sich mehrere Kilometer am Campus entlang. Jahr für Jahr starben eine Hand voll Menschen, weil sie entweder beim Radfahren, Wandern oder Joggen oder nach einer Party im Suff hinunterfielen. In den Medien wurde dann ausgiebig über die Tragödie berichtet, und eine Weile waren die Leute vorsichtiger. Aber nach und nach ließ das Gefühl für die Gefahr nach. Alte Gewohnheiten schlichen sich wieder ein. So lange, bis wieder jemand ums Leben kam.
    Liz versuchte gegen ein plötzliches Unbehagen anzukämpfen. Es gab immer noch Momente, in denen sie das Gefühl hatte, von ihrer Vergangenheit eingeholt zu werden, und dann überkam sie tiefe Verzweiflung. Aber hier draußen, mit der friedlichen Lagune auf der einen Seite und dem zeitlosen Ozean auf der anderen, passierte das selten. Hier erinnerten sie der strahlende Himmel und die warme Sonne und das muntere Kreischen der Möwen immer wieder daran, wie schön das Leben war. Wenn sie diesen hoch gelegenen Pfad zwischen den zwei Wasserflächen entlanglief, fühlte sie sich normalerweise immer unbesiegbar.
    Aber nicht an diesem Tag. Sie war unruhig, wachsam. Das verstand sie nicht. Vor ihr war niemand zu sehen, aber hinter sich konnte sie Leute hören. Wegen des unebenen Untergrunds blickte sie sich vorsichtig um. Da war ein anderer Jogger, groß und muskulös, in Joggingkleidung, mit Sonnenbrille und einer Baseballmütze. In keiner Weise
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