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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod
Autoren: Charlaine Harris
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so groß war wie die Verzagtheit, die mich antrieb. Ich musste zu Martin, musste wissen, wie es ihm ging. Nur diese Verzagtheit hatte mich aus dem Schlafsack gebracht und schob mich nun die Treppe hinauf.
    Ich stand mit einem Fuß auf dem Absatz vor der Tür, mit dem anderen auf der nächsttieferen Stufe und mit dem Rücken zur Wand, den Blick über das hölzerne Geländer in den offenen Kellerraum gerichtet, und durchdachte ein letztes Mal, was ich gleich tun würde. Ein Blick auf die Uhr: neun.
    Jetzt konnten wir nur noch warten. Falls nicht Margaret auftauchte, sondern der viel größere Luke, oder sie zur Abwechslung einmal zu zweit kamen ... dann waren wir geliefert. Aber eigentlich vertraute ich darauf, dass die beiden sich inzwischen an Reginas Passivität gewöhnt hatten.
    Im Raum gleich hinter der Tür – laut Regina befand sich dort die Küche der Granberrys – bewegte sich etwas. Jetzt waren eindeutig Schritte zu hören.
    Das Schloss klickte, die Tür öffnete sich, ich atmete tief ein. Ein Kopf tauchte auf, während die Tür ganz aufschwang und neben meiner Hand die Wand berührte.
    Margaret war allein gekommen.
    Noch ehe sie mich bemerkt hatte, die ich dort oben an die Wand gedrückt stand, hatte sie sich schon gebückt, um das Tablett aufzuheben. Da hatte ich bereits zugepackt, mir ihr langes, rotes Haar gekrallt und mit aller Kraft daran gezogen.
    Mit Hilfe von viel Adrenalin und unter Ausnutzung der Gesetze der Hebelwirkung gelang es mir, dass Margaret mit einigem Schwung an mir vorbeifiel, unfähig, auch nur einen Laut von sich zu geben. Das war natürlich gut. Sie hatte sich bei diesem Sturz sicher verletzt, aber wie schwer, das würde ich nie herausfinden, denn als Margaret den Fuß der Treppe erreichte, stand dort Regina mit einem Brett in den erhobenen Händen, das sie ihr mit voller Wucht über den Schädel zog.
    Es knackte leise, und Margaret lag still und reglos am Fuß der Kellertreppe.
    „Igitt!“, keuchte Regina.
    Das dachte ich auch.
    Nachdem meine Nichte ziemlich unbeeindruckt über Margaret hinweggeklettert war, kam sie zu mir auf die Treppe.
    Ich nahm das Tablett, damit es uns nicht im Weg stand, und riskierte den ersten, vorsichtigen Schritt in die Küche. Margaret hatte das Gewehr an die Wand neben der Kellertür gelehnt. Dort war es ihr nicht gerade nützlich gewesen.
    Die Küche entpuppte sich als schöner, heller, sonniger Raum mit weißem Linoleum. Der Schnee draußen ließ die ins Zimmer fallenden Sonnenstrahlen noch heller durch blitzsaubere Fenster leuchten. So viel Helligkeit blendete mich.
    Rechts von mir war eine offene Tür, durch die man ins Wohnzimmer gelangte, zu meiner Linken eine geschlossene Tür, die wohl nach draußen führte. Vielleicht hätte ich Margarets Talente bei der Inneneinrichtung eher gewürdigt, wäre Luke nicht in diesem Moment durch die linke Tür eingetreten. Er hatte Holz geholt.
    Seine Miene wirkte fast komisch, als er mich da stehen sah. Dass ich das Tablett trug, das er in Händen Margarets erwartet hatte, trug noch zu seiner Verwirrung bei. Ich warf das Tablett nach ihm, daraufhin war die Küche nicht mehr ganz so makellos.
    Er ließ das Holz fallen, und Orangensaft spritzte auf seine Hose. Er starrte überrascht an sich herunter.
    Mich verließen plötzlich sämtliche Kräfte, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen. Ich sank in die Knie und hatte Mühe, nicht auch noch umzufallen, während es in meinem Kopf pochte und dröhnte und alle Glieder sich anfühlten, als wären sie aus Gummi.
    Luke blickte von seiner Hose auf. „Regina! Nicht!“, rief er, und seine Augen fixierten einen Punkt hinter mir und leicht links von ihm.
    „Du hast Craig umgebracht“, sagte Regina. „Du hast mir mein Kind weggenommen. Hol sofort Hayden und gib ihn Tante Aurora!“
    Mit Mühe gelang es mir, den Kopf zu wenden. Regina hielt das Gewehr in der Hand. Wusste sie, wie man damit schoss?
    Luke bewegte sich nicht. „Du verstehst das nicht. Wo ist Margaret?“ In seinem Gesicht kam Angst auf.
    „Ich hole Hayden lieber selbst“, sagte Regina und schoss.
    Keuchend, weiterhin unfähig, mich zu rühren, kniete ich auf dem Boden. Wenn diese junge Frau sich änderte, dann mit vollem Elan, halbe Sachen gab es nicht.
    Gleich darauf befand ich mich mit dem stöhnenden Luke allein in der Küche, der sich in der immer noch offenen Tür zu einem Ball zusammengerollt hatte. Kalte Luft strömte herein. Seine Jacke war blutgetränkt, und er hielt sich die rechte
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