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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod
Autoren: Charlaine Harris
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Quattermain?“ Ich fuhr herum. „Alles in Ordnung?“
    Darius Quattermain, Ältester in der Antioch Holiness Church, begann aus voller Kehle ‚She’ll be Coming Round the Mountain ‘ zu singen. Nicht zu singen: zu grölen wie ein Irrer. Dabei arbeitete er munter weiter, nur stapelte er das Holz nicht mehr sauber unter der Treppe, sondern schleuderte die Scheite wild durch die Gegend.
    „Oho“, sagte ich. „Immer hübsch langsam!“ Ich fand selbst, dass eher Panik und nicht gerade Autorität in meiner Stimme gelegen hatte. Als das nächste Stück Holz an meiner Schulter vorbeischoss und sie nur um wenige Zentimeter verfehlte, zog ich mich ins Haus zurück, wo ich die Tür hinter mir verriegelte und erst nach gut einer Minute einen Blick aus dem Fenster wagte: Draußen flog weiterhin Holz, und Darius schien nicht langsamer werden zu wollen. Hinten auf seinem Pick-up lagen noch immer jede Menge Scheite, in denen ich momentan keinen freundlichen Brennstoff zu sehen vermochte, sondern eher Munition.
    Da unser Haus außerhalb der Stadtgrenzen lag, rief ich nicht bei der städtischen Polizei an, sondern wählte die Nummer des Sheriff Departments.
    „Spacolec“, meldete sich Doris Post. Spacolec stand für Sparling County Law Enforcement Complex und Doris klang, als hätte sie den Mund voller Kaugummi. Wahrscheinlich versuchte sie wieder einmal, sich das Rauchen abzugewöhnen.
    „Doris? Hier ist Aurora Teagarden.“
    „Hallo, meine Liebe. Wie geht’s dir denn so?“
    „Prima, danke. Dir hoffentlich auch. Hör mal, ich habe hier ein Problem.“
    „Ach ja? Was denn für eins?“
    „Du kennst Darius Quattermain?“
    „Der Schwarze, der Holz anliefert? Sechs Kinder? Die Frau arbeitet bei Food Fantastic?“
    „Richtig.“ Ich warf hoffnungsfroh einen Blick aus dem Fenster – vielleicht hatte sich die Lage dort ja Richtung Normalität entwickelt. Leider war das nicht der Fall. „Er dreht gerade durch.“
    „Wo genau?“
    „Im Garten neben meinem Haus. Als er kam, schien er noch völlig in Ordnung, aber jetzt singt er laut und schmeißt mit Holzscheiten.“
    „Er ist noch bei dir?“
    „Ja. Momentan ... wenn man es genau nimmt ...“ Fasziniert, aber gleichzeitig auch leicht angewidert musterte ich die Szene, die sich vor meinem Fenster abspielte. „Doris? Er zieht sich gerade aus, singt und schmeißt weiterhin mit Holz.“
    „Hast du dich im Haus eingeschlossen, Roe?“
    „Ja, und die Alarmanlage ist an.“ Schuldbewusst drückte ich die entsprechenden Knöpfe. „Ich glaube nicht, dass er irgendwem etwas antun will, Doris. Irgendetwas scheint ihn überkommen zu haben, er kann wohl nicht anders. Als hätte er Drogen genommen, hätte eine Art Anfall oder so etwas in der Art. Wenn ihr jemanden vorbeischickt – könnten sie die Sache in aller Ruhe angehen?“
    „Ich melde alles so weiter, wie du es mir geschildert hast.“ Doris klang überhaupt nicht mehr gelangweilt oder so, als würde sie meine Geschichte im Grunde nichts angehen. „Halt dich vom Fenster fern, Roe. Ein Wagen ist schon unterwegs.“
    „Danke, Doris.“
    Ich legte auf und bezog Posten hinter einem Vorhang, von wo aus ich von Zeit zu Zeit einen Blick auf Darius werfen konnte. Das Versteckspiel hätte ich mir auch ruhig sparen können: Für Darius hätte ich mich irgendwo auf dem Mond rumtreiben können, es interessierte ihn herzlich wenig. Der Mann war ein einziger, brauner, großer Fleck Gänsehaut da draußen in der kalten Brise. Ein Fleck Gänsehaut, der splitterfasernackt herumtanzte und dem Himmel verkündete, dass wir das Hochzeitsmahl richten würden, wenn sie denn käme.
    Was würde er wohl tun, wenn das Lied zu Ende war?
    Die Frage war rasch beantwortet: Er wechselte zu ‚Turkey in the Straw ‘ . Offenbar litt er unter einer Art Flashback zum Musikunterricht in der Grundschule.
    Dazu tanzte er, beeindruckend leichtfüßig für einen gesetzten Mann mittleren Alters.
    Ich beschloss, meinen Mann anzurufen.
    „In unserem Garten ist ein nackter Mann“, sagte ich. Leise, denn Darius hatte das Singen eingestellt, um einem nicht vorhandenen Hirsch nachzustellen.
    „Kenne ich ihn?“ Martin klang vorsichtig – er wusste nicht, wie ernst er das Ganze zu nehmen hatte.
    „Darius Quattermain, unser Holzlieferant.“
    „Ich nehme an, du hast im Büro des Sheriffs Bescheid gesagt?“
    „Ja. Der Streifenwagen kommt schon.“ Das offizielle Fahrzeug war soeben meine Auffahrt hinaufgefahren, ohne Sirene. Ich nickte befriedigt. Auch das
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