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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod
Autoren: Charlaine Harris
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der Verfassung, mich zu wehren.
    Dabei hörten wir direkt vor der Kellertür Stimmen. Einige Männerstimmen und eine weibliche: Margaret.
    „Komm hier rüber, da können wir zuhören!“, wisperte Regina und schleppte mich die Treppe hinunter zu der Stelle an der Wand, wo die Ventilation des Wäschetrockners in den Keller mündete.
    Inzwischen stand auch meine Nichte auf der Liste der Menschen, die mir tot lieber gewesen wären als lebendig, aber das musste warten. Also lauschte ich, wie sie es mir befohlen hatte.
    „... seinen Pick-up am Straßenrand“, sagte gerade eine Männerstimme. „Seine Frau ist draußen umhergefahren und hat nach ihm gesucht.“
    „Wird er sich wieder erholen?“ Das war Margaret, und ich schwöre, sie klang besorgt.
    „Er hat eine Menge Blut verloren“, sagte der Mann zweifelnd. „Wir müssen abwarten. Ein Toter, zwei Schwerverletzte. Die können uns nicht sagen, was geschehen ist. Was ist mit Ihnen? Haben Sie Schüsse gehört?“
    „... gehört, was ein Schuss hätte sein können, am späten Nachmittag.“ Das war Luke. Seine Stimme klang deutlich leiser als die der anderen.
    „Sie waren heute schon dort, sagten Sie? Da war alles in Ordnung?“
    „Oh ja, völlig.“ Das war wieder Margaret. „Nur ... ich sage das ungern, aber Martins erste Frau und deren neuer Freund waren auch da, und die Stimmung schien mir nicht die beste zu sein.“
    „Dennis und Martin haben sich noch nie verstanden“, sagte die mir unbekannte männliche Stimme grüblerisch.
    „Ach, und noch etwas – auch das sage ich nur ungern“, fuhr Margaret fort, „aber mir kam es vor, als würde dieser Dennis mit Martins neuer Frau flirten.“
    „... wissen wir nicht, wo sie hin ...“ Die unbekannte männliche Stimme wurde leiser, bis wir sie nicht mehr hörten.
    Wenn das Kind nicht gewesen wäre, hätte Regina mich losgelassen.
    Wenn Hayden nicht gewesen wäre, hätte ich mir die Seele aus dem Leib geschrien.
    Wenn Hayden nicht gewesen wäre, wäre nichts von all dem geschehen.
    Nein, nicht Hayden: Wenn Regina nicht gewesen wäre ...
    Auch falsch: Wenn es die Granberrys mit ihrem Verlangen nach etwas, was die Natur ihnen nicht schenken wollte, nicht gegeben hätte ...
    Nein, auch das passte nicht. Es lag weder an Hayden noch an Regina oder an den Granberrys ...
    Oben war es wieder ganz ruhig. Unsere potentielle Rettung hatte das Haus verlassen.
    Regina ließ mich los.
    Ich sackte erschöpft auf meinen Schlafsack.
    „Tut mir leid“, sagte Regina, als sie mein Gesicht sah.
    Ich würde ihr nie verzeihen, was sie, auch ohne dass ich es aussprach, zu wissen schien. Wenigstens konnte ich jetzt sicher sein, dass Martin Hilfe bekommen hatte. Aber ich wusste nicht, in welchem Zustand er war. „Morgen früh knöpfen wir sie uns vor!“, sagte ich. „Wir starten einen Überraschungsangriff.“ Dann erklärte ich meinen Plan, der zugegebenermaßen auf ziemlich vagen Einschätzungen beruhte.
    „Eigentlich dachte ich immer, du wärst eine nette Frau“, sagte Regina beeindruckt, als ich fertig war.
    „Damit ist jetzt Schluss“, sagte ich.

    Am nächsten Morgen gegen acht Uhr brachte Luke unser Frühstück, während Margaret ihm wie schon am Vorabend Rückendeckung gab. Beide wirkten müde, und ich hoffte, dass Hayden sie anständig auf Trab gehalten hatte. Luke brachte uns zwei Gläser O-Saft und zwei süße Teilchen. Keinen Kaffee. Prima! Ohne Kaffee war ich gleich doppelt so eklig.
    Wir aßen, und ich warf noch ein paar Excedrin ein. Ich fühlte mich wie erwartet – wie der Tod auf Latschen –, hatte aber immerhin schlafen können, wenn auch nicht besonders gut. Nachdem wir beide die Toilette aufgesucht und uns am Waschbecken das Gesicht gewaschen hatten, trug Regina das Tablett die Treppe hinauf, wo sie es wie am Vortag auf dem kleinen Absatz gleich vor der Tür deponierte.
    Sie kam herunter und baute sich vor mir auf. „Bist du sicher, du kriegst das hin?“, fragte sie, wobei ich an ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte, wie schlecht ich aussah.
    „Ich mache mir eher Sorgen um dich.“ Gut, vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Offenheit, aber das war mir egal. „Willst du dein Kind wiederhaben?“
    „Ja!“, sagte sie temperamentvoll. „Die Leute, die seinen Vater umgebracht haben, dürfen ihn nicht kriegen.“
    Seit Regina wusste, dass sie Witwe war, schien sie über Nacht ungeahnte Härte und Wut entwickelt zu haben. In ihren Augen erkannte ich nur feste Entschlossenheit, die fast
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