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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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Geräte, die, von diesem Blickwinkel aus betrachtet, nur halb so bedrohlich wirkten. „Bitte reichen Sie mir doch einmal Ihre Hände“, sagte sie dann zu dem Mann, der sich halb sitzend, halb liegend unmittelbar vor ihr in den Behandlungsstuhl verkrochen hatte. Gut, dass er sie nicht ansah, sonst hätte er vielleicht bemerkt, dass sie nicht die Zahnarzthelferin war. Seine Augen hielt er schmerzverzerrt fest zusammengekniffen, sein ganzes Gesicht hatte einen verkrampften Ausdruck. Der Mann gehorchte, und ehe er begriff, machte es „klick-klack“, und die Handschellen schnappten zu. Dann ging Mona um den Behandlungsstuhl herum und schob dem verdutzten Mann blitzschnell das linke Hosenbein bis zum Knie hoch. Nach einer Schrecksekunde begann der Patient aufs Heftigste zu protestieren und zog das Bein an sich. Im gleichen Augenblick ging die Verbindungstür zum Behandlungszimmer nebenan auf, und der Zahnarzt, Doktor med. dent. Jochems, trat ein. Zunächst warf er einen erstaunten Blick auf das ungewöhnliche Szenario, er brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln, dann fragte er scharf: „Was geht denn hier vor sich?“, und nach einem weiteren Moment, in welchem er Mona vorwurfsvoll musterte: „Was erlauben Sie sich?“ Eine seiner Helferinnen war hinter ihm eingetreten und erfasste, ebenfalls völlig perplex, das Schauspiel, das sich in diesem Behandlungszimmer darbot.
    „Ich habe Ihrem Patienten schon mal auf den Zahn gefühlt, Herr Doktor!“, entgegnete Mona gelassen, und schob dem Mann, der zwischenzeitlich ruhig geworden war, das Hosenbein wieder herunter. Sie hatte gesehen, was sie erwartet hatte und sprach ihn an: „Na? Eine alte Dame mal eben so umlegen, aber bei ein bisschen Zahnschmerzen laut jammern, wie? Dein Pech, Kollege, du bist verhaftet!“ Genugtuung schwang in ihrer Stimme mit, die konnte sie sich nicht verkneifen. Die Bilder der alten Frau Schabio, wie sie in ihrem Blut lag, gestorben für ein paar Euro und ein bisschen Goldschmuck, gingen ihr bis heute nicht aus dem Kopf. Routiniert griff Mona nach ihrem Diensthandy und wählte die Nummer der Polizeiwache. Dem immer noch erstaunten Blick des Zahnarztes begegnete sie gelassen. Als am anderen Ende abgenommen wurde, sagte sie sachlich: „Kommissarin Mona Jacobi, ich befinde mich in der Trierer Straße Nummer Fünfzig, Zahnarztpraxis Doktor Jochems. Bitte schickt mir einen Streifenwagen her, ich habe gerade eine Verhaftung vorgenommen. Und vielleicht sollte auch gleich noch ein Kollege von der Mordkommission mitkommen. Ich kann nämlich hier nicht weg, ich muss erst noch eine Wurzelbehandlung über mich ergehen lassen. Leider bin ich nämlich zivil hier. Die Kollegen sollen sich beeilen, Doktor Jochems hat das Wartezimmer voll.“ Mit diesen Worten zwinkerte sie dem immer noch verblüfften Zahnarzt freundlich zu.

„Der Nächste, bitte!“
    Schwester Lona erschrak, als sie bei ihrem Patientenaufruf einen Blick durch das vollbesetzte Wartezimmer der Notaufnahme schweifen ließ, während sie ihre dunkle Mähne schnell zu einem Pferdeschwanz zusammennahm. „Was ist denn hier los?“ Ihre Schicht hatte gerade erst begonnen, und so viele kranke Menschen auf einmal! Das war ungewöhnlich. Und die meisten von ihnen hielten sich stöhnend die Bäuche. „Der Nächste, bitte…“, murmelte sie noch einmal ratlos den Kopf schüttelnd…

Pflaumenmus
    „Ich könnte ihm den Hals rumdrehen!“ Mirja ließ das Schreiben vom Anwalt ihres Nachbarn sinken und funkelte ihrer Freundin Annette wütend entgegen. Annette nahm ihr das Papier aus der Hand und überflog wortlos die Zeilen. Mirja legte sich demonstrativ beide Hände um den Hals und gab dabei einen würgenden Laut von sich.
    Annette sah sie an und lachte auf. „Das solltest du lassen. Dann gehst du nämlich in den Knast und hast nichts von deiner frisch gewonnenen Zufriedenheit.“
    „Ja, ich weiß“, knurrte Mirja. Ihr gesamter Gesichtsausdruck war pure Empörung.
    „Lebt er allein?“, fragte Annette unvermittelt.
    „Pah! Kannst du dir etwa vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der mit einem solchen Ekel zusammenlebt?“
    „Also lebt er allein. Prima! Dann back ihm doch einen Kuchen“, schlug Annette vor und die Entrüstung in Mirjas Mimik erwies sich tatsächlich als noch steigerungsfähig. „Spinnst du??“, raunzte sie, „das wäre ja noch schöner! Warum in aller Welt sollte ich so blöd sein?“
    „Weil du nicht blöd genug bist, ihn zu erwürgen“, erwiderte Annette trocken.
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