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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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„Oder... noch besser! Koch Marmelade für ihn. Pflaumenmus bietet sich geradezu an, oder nicht?“ Mirja starrte ihr verständnislos entgegen. Annettes Blick richtete sich an ihr vorbei in den Garten. „Es ist Spätsommer. Obstsaison. Da macht man sich unter Nachbarn doch gegenseitig gerne eine Freude mit der eigenen Ernte. Nicht?“ Annette klang sehr poetisch. Mirja schüttelte unentwegt den Kopf. „Warum sollte ich ausgerechnet ihm eine Freude machen wollen?“, fragte sie zweifelnd.
    „Pflaumen hast du reichlich“, ignorierte Annette ihren Einwand, den Blick weiter nach draußen zur Streuobstwiese gerichtet.
    „Sag mal... bist du noch ganz bei Trost? Ich muss an deinem Verstand zweifeln!“
    Endlich blickte Annette sie wieder an. „Na, denk doch mal nach. Du willst ihn loswerden. Ihm den Hals rumdrehen wäre zu offensichtlich.“ Annette ließ ihre Worte wirken. Und Mirjas Entrüsten wich ganz allmählich zweifelnder Verwunderung. „Du meinst...?“, fragte sie leise und Annette nickte. „Na? Rutscht endlich der Groschen?“ Sie griff nach ihrer Handtasche. „Ich gehe, ehe er mir noch die Luft aus den Reifen lässt.“ Lächelnd nahm Annette ihre Jacke vom Haken und ließ eine verblüffte und sehr langsam begreifende Mirja zurück.
     
    Nur einen Tag später war Annettes Idee in Mirjas Kopf zu einem ausgefeilten Plan herangereift. Sorgfältig wählte sie die besten Pflaumen aus ihrem Garten aus, entsteinte sie und schnitt sie in gleichmäßige Stücke. Dann rührte sie reichlich Einmachzucker darunter und verfeinerte mit etwas frischem Zitronensaft und einer Prise Zimt. Und dann kochte sie ein wirklich herrliches Pflaumenmus. Ihre ganze Wohnung erfüllte sich mit dem Duft der garenden Früchte und einem Hauch von Zimt, während Mirja das Mus noch heiß in die vorbereiteten Schraubgläser füllte. Flink verschloss sie jedes Glas, dabei nahm sie ein Küchentuch zu Hilfe, um sich nicht die Finger zu verbrennen, und drehte dann jedes einzelne auf den Deckel, damit es luftdicht abschloss. Jedes einzelne – bis auf eines. Für das letzte Glas, es war das größte von allen, hatte Mirja noch eine extra Zutat vorgesehen. Mit großer Sorgfalt ging sie vor, rührte gründlich, ehe sie auch dieses verschloss und ebenfalls wie die anderen auf den Deckel stellte.
    Tiefe Zufriedenheit erfüllte sie, während sie den klebrigen Topf spülte und den verspritzten Herd wieder blank rieb. Tiefe Zufriedenheit und die Vorfreude auf die Genugtuung.
    Gleich am nächsten Tag ergab es sich, dass Mirja ihren Nachbarn am Gartenzaun traf.
    „Herr Wingensee?“, rief sie und winkte freundlich. Verwundert blickte er auf und trat zögernd ein Stück näher.
    „Herr Wingensee“, Mirja setzte ihr schönstes Lächeln auf, „ich habe etwas für Sie. Bitte warten Sie einen Augenblick.“ Mirja wandte sich ab und holte vom Tisch auf der Terrasse das Glas Pflaumenmus, das sie für ihren Nachbarn hergerichtet und nett beschriftet hatte. Er lehnte in gespannter Erwartung mit einem Arm am Gartenzaun, als Mirja zurückkam. „Sehen Sie, Herr Wingensee, ich dachte mir, Sie haben sich so oft über mich geärgert, zur Abwechslung will ich Ihnen einmal eine Freude machen.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte jetzt über Wingensees Gesicht. Mirja drückte ihm das Glas in die Hände. „Für Sie“, fügte sie noch hinzu, tat verlegen wie ein Schulmädchen, „gestern erst gekocht. So frisch schmeckt es am besten.“ Mit diesen Worten ließ Mirja ihren Nachbarn stehen und ging zurück zu ihrer Terrassentür. Sie hörte noch wie er „Dankeschön“ murmelte und flötete: „Gerne!“.
    Sehr gerne, fügte sie in Gedanken hinzu. Nun musste sie nur die Zeit für sich arbeiten lassen. Und das erwies sich als so ziemlich das Schwierigste an der ganzen Sache. Jeden Morgen verdrehte sie genervt die Augen, wenn sie im Bad beim Zähneputzen hörte, wie Wingensee draußen seinen Wagen startete. Seine penible Pünktlichkeit war eines seiner Markenzeichen. Und wenn Mirja beim Frühstück missmutig in ihr Pflaumenmusbrötchen biss, fragte sie sich, wann auch er endlich sein Glas öffnen würde. Und ärgerte sich, dass sie nicht doch einen Kuchen gebacken hatte. Den hätte er gleich verzehren müssen. Das Pflaumenmus hielt sich auch noch bis Weihnachten und länger. Zu dumm! Mirjas Ungeduld wuchs von Tag zu Tag. Jetzt zusätzlich noch mit Kuchen aufzuwarten wäre doch zu aufdringlich.
    Der Zufall wollte es, dass sie ihm zwei Wochen später nachmittags auf der
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