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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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gegangen? Er hatte keine Ahnung. Sie erhob sich und ging einen Schritt auf den Mann zu, schluckte nervös. Wollte, dass er endlich sagte, was es zu sagen gab. Sie wusste längst, was es war. Dennoch drückten ihre Augen die Erwartung aus. Ein verzweifelter, letzter Funke Hoffnung. Erst, als er es aussprach, senkte sie den Blick.
    „Es tut mir Leid. Wir konnten nichts mehr für ihn tun.“
     
    Dreizehn Jahre zuvor:
    Das Mädchen wusste nicht, dass es beobachtet wurde, als es den Waldweg entlang in Richtung der Weiher lief. Manuela war zwölf und seit fast zwei Jahren kümmerte sie sich mit einer für ihr Alter ungewöhnlichen Ausdauer um ihren Hund, einen Berner Sennen-Mischling. Ihr Vater hatte ihn ihr geschenkt, bevor er gegangen und nicht mehr wiedergekommen war. Nach ihm hatte sie den Hund schließlich benannt: Ben.
    Diesen Weg kamen sie fast täglich entlang und genau das sollte Manuela heute zum Verhängnis werden.
    Es war August und die Sonne brannte gnadenlos von wolkenlosem Himmel. Manuela ging nicht, wie andere Mädchen aus ihrer Schulklasse, ins Schwimmbad. Sie grenzte sich schon lange ab von den anderen. Der Hauptgrund lag darin, dass sie niemanden zu sich nach Hause mitbringen konnte, zu ihrer alkoholkranken Mutter, in die ständig verdreckte Zweizimmerwohnung. So hatte Manuela früh gelernt, ihre eigenen Wege zu finden. Ben machte diese Situation erträglich.
    Hier, im Schatten der meterhohen Bäume, ließ sich die Sommerhitze aushalten. Und in den Weihern konnte man sich die Füße abkühlen. Ben sprang meist ganz hinein. Er war zwar ein Riese, doch gutmütig wie ein Schaf. Hier, wo selten Leute und schon gar keine Autos unterwegs waren, konnte Manuela Ben gefahrlos von der Leine loslassen. Zum Toben war es zwar viel zu heiß, doch er konnte sich frei bewegen, schnuppern und sein Revier markieren. Das tat er mit Vorliebe. Von Baum zu Baum das Hinterbein heben und markieren. Hin und wieder trafen sie Spaziergänger, und wenn Manuela nicht aufpasste, dann lief Ben hin und begrüßte sie schwanzwedelnd. Dass der Mann, der ihnen hier beinahe täglich begegnete, heute nicht da war, bemerkte Manuela zunächst gar nicht. Noch am Tag zuvor hatten sie ihn genau hier getroffen. Er hatte gegrüßt und war ausnahmsweise sogar stehen geblieben. „Was für ein schöner Hund!“, hatte er gesagt. „Wie heißt der denn?“ „Ben“, hatte Manuela voller Stolz erwidert. „Ben. Der Name passt zu ihm. Darf ich deinen Ben denn auch einmal streicheln?“ Manuela hatte eifrig genickt und gesagt: „Klar. Das mag er besonders gerne. Er ist ein ganz lieber.“ „Ja, das sehe ich“, hatte der Mann gesagt. „Und er passt auch sicher ganz gut auf sein junges Frauchen auf, nicht wahr?“ „Na ja“, hatte Manuela wahrheitsgetreu erwidert, „er ist eigentlich zu jedem Menschen freundlich und darum mag ihn auch fast jeder.“
    „Das glaube ich gerne. Mag Ben denn auch Leckerlis?“ fragte der Mann noch und Manuela nickte wieder. „Und wie!“ Dass das Geld oft nicht für Leckerlis reichte, verschwieg sie.
    „Na, du bist ein Guter“, sagte der Mann, tätschelte Bens Kopf und zog etwas aus seiner Jackentasche, was er Ben in die Schnauze schob. Manuela hatte nicht erkannt, was es gewesen war, doch Ben schmatzte dankbar und sah dem Mann zufrieden hinterher, als er weiterging.
    Heute spitzte Ben genau hier die Ohren, preschte dann plötzlich los und verschwand zwischen den Bäumen.
    „Ben!“, rief Manuela hinter dem Hund her, „Ben, komm zurück! Hierher Ben!“ Ben kam nicht. Ohne zu überlegen rannte Manuela hinterher. Schnell entfernte sie sich vom Weg, zerkratzte sich Arme und Beine zwischen Gestrüpp und herunterhängenden Ästen und rief immer wieder: „Ben! Ben komm zurück.“ Völlig außer Atem, brennenden Schweiß in den Augen, hörte sie ihn endlich winseln. Noch ein paar Baumreihen weiter sah sie ihn dann. Zunächst sah es aus, als hätte er sich im Geäst des dichten Buschwerks verfangen, als wäre er mit seinem Halsband hängen geblieben. Doch als Manuela näher kam, erkannte sie, dass er angebunden war. An Bens Halsband war ein dicker Strick befestigt. Vergeblich versuchte der Hund, sich frei zu machen. „Ben!“ Manuela stürzte zu ihrem Hund, der ihr erfreut die Hände ableckte, wollte ihn befreien, als plötzlich ein Mann hinter dem Busch hervortrat. „Lass ihn los!“, herrschte er das Mädchen an. Sein vermummtes Gesicht konnte Manuela nicht erkennen. Nur seine Augen sah sie durch schmale
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