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Der Nachtwandler

Der Nachtwandler

Titel: Der Nachtwandler
Autoren: Sebastian Fitzek
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einen Schnurrbart, der seine Gaumenspalte nicht überdecken konnte.
    »Bitte gehen Sie in meine Wohnung, und schieben Sie den Schrank zurück«, flehte Leon ihn an. »Wenn er klemmt, können Sie auch durch das Badezimmer von Frau Helsing einsteigen, um in das Labyrinth zu kommen.«
    »Ins Labyrinth?«, fragte der Bärtige und stellte sich ihm als Dr. Meller vor.
    »So nenne ich es, ja. Ich kann es Ihnen aufzeichnen. Am Ende des ersten Schachts gibt es eine Gabelung, die zu einer Geheimtür führt.«
    Und zu der Leiche meiner Frau.
    Leon schloss erschöpft die Augen, als ihm klarwurde, dass er sich selbst kein Wort glauben würde. Aber es war ohnehin zu spät. Wenn Natalie nicht unmittelbar durch den Stich gestorben war, so war sie nach all der verstrichenen Zeit jetzt unter Garantie nicht mehr am Leben.
    »Meinen Sie die Tür mit dem ACHTUNG-Schild?«, fragte Dr. Meller unvermittelt.
    Leon riss die Augen wieder auf. »Woher wissen Sie das?«
    »Die Polizei hat Ihre Angaben bestätigt.«
    Im Gegensatz zu Schwester Suzan schien der Arzt seine Worte ernst zu meinen. Sie klangen nicht einlullend, sondern ehrlich.
    »Sie glauben mir?«
    »Ja. Ein Freund von Ihnen, ein gewisser Sven Berger, hat sich Sorgen gemacht und nach Ihnen sehen wollen. Er hat vor einer Viertelstunde eine Männerleiche in Ihrer Wohnung entdeckt.«
    Die Liege wurde vor einer Flügeltür angehalten. Leon hob den Kopf. »Und Natalie?«
    Leon versuchte sich aufzurichten. »Was ist mit meiner Frau?«
    Wurde sie auch schon gefunden?
    Die Angst vor der Wahrheit schnürte ihm die Kehle zu. Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Das weiß ich nicht. Die Einsatzkräfte versuchen wohl gerade, eine Tür zu öffnen, aber sie ist mit einem Code gesichert.«
    »A-Moll«, rief Leon. »Bitte, sagen Sie denen, der Code lautet: A-H-C-D-E-F-G-A.«
    Der Arzt nickte, und ein Telefon erschien in seiner rechten Hand. Anscheinend war er mit den Beamten verbunden, denn er fragte, ob sie Leons letzten Satz mitgehört hätten.
    »Nein, er kann jetzt nicht vernommen werden, er hat eine Batterie verschluckt, und ihm muss gleich der Magen ausgepumpt werden«, versuchte Dr. Meller das Gespräch zu beenden. Der Mann am anderen Ende sagte etwas, und der Arzt blickte erschrocken zu Leon hinab, dem das Herz stehenblieb.
    Haben sie sie gefunden?
    »Der Einsatzleiter will wissen, was mit den anderen Mietern geschehen ist«, fragte Meller.
    Leons Augen weiteten sich. »Großer Gott, hat der Psychopath denen etwa auch etwas angetan?«
    Er musste an die alte Frau Helsing denken, die dem Irren bestimmt nichts entgegenzusetzen gehabt hatte.
    »Nein, ähm …« Der Arzt wanderte aus seinem Blickfeld, um an der anderen Seite der Liege wieder aufzutauchen. »Wenn ich das eben richtig verstanden habe, ist wohl niemand mehr da.«
    »Keiner da? Das kann nicht sein. Ivana verlässt abends nie ihre Wohnung.«
    »Ich fürchte, Sie verstehen nicht.« Leon wurde durch die geöffnete Tür in ein schlauchartiges Behandlungszimmer geschoben. »Laut Polizei sind Ihre Nachbarn nicht ausgegangen. Sie sind ausgezogen. Mit all ihren Wertgegenständen, Bargeld und Papieren. Sämtliche Haustüren standen offen, die Schlüssel steckten von außen.«
    »Was? Aber wieso?«
    Dr. Meller zuckte ratlos mit den Achseln. »Ich verstehe es auch nicht, Herr Nader. Aber die Polizei sagt, das gesamte Mietshaus wirke, als wäre es Hals über Kopf evakuiert worden.«

Einige Monate später
    I rgendwo auf der Welt.
    In einer Stadt, die Sie kennen.
    Vielleicht in Ihrer Nachbarschaft …

42.
    D r. Volwarth ließ den Applaus abebben, mit dem er von seinen Kollegen in dem Konferenzraum des Schlaflabors empfangen wurde.
    »Danke sehr. Vielen herzlichen Dank.«
    Er spielte an dem Stecker in seinem Ohrläppchen. Zu viel Anerkennung machte ihn immer etwas verlegen.
    »Es ist unser gemeinsamer Erfolg. Sie müssen sich selbst applaudieren.«
    Die Gruppe, zwei Frauen und zwei Männer, lachte höflich. Nur der Chefarzt am Kopfende des Tisches war verstimmt.
    »Ein Jammer, dass uns die Anerkennung dafür noch auf lange Zeit verweigert werden wird«, warf er ein.
    »Sie haben so recht, Professor Tareski.« Volwarths Augen funkelten zornig. »Aber wir sind nicht die Einzigen in der Geschichte der Medizin, die ihr eigenes Wohl und die Freiheit riskieren, um Bahnbrechendes im Namen der Wissenschaft zu leisten. Denken Sie nur an unsere Kollegen im Mittelalter, denen es unter Todesstrafe verboten war, den menschlichen Körper zu
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