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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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seiner Eisen mit zwei Tassen Kaffee in seinen behandschuhten Händen mitten auf seinem Arsch gelandet war.
    Ich winkte Lefler zu und fuhr weiter. Diese jungen Hitzköpfe, dachte ich. Ich war froh, daß ich schon etwas älter gewesen war, als ich meinen Polizeidienst angetreten hatte. Aber mir war auch von vornherein klar gewesen, daß ich auf keinen Fall Verkehrspolizist werden wollte. Strafzettel zu verteilen – das lag mir absolut nicht. Der einzige Vorteil dabei war lediglich, daß man unter dem Vorwand, einen Strafzettel schreiben zu müssen, einen verdächtigen Wagen anhalten konnte. Nichts kann zu so vielen erfolgreichen Verhaftungen führen wie diese Kontrollen wegen vermeintlicher Verkehrsübertretungen. Allerdings haben auf diese Weise auch schon einige Polizisten daran glauben müssen.
    Ich gelangte zu dem Entschluß, daß ich zu aufgeregt und hektisch war, um mit meiner Zeitung im Park herumzuhängen. Seit ich wegen des Freitags eine Entscheidung getroffen hatte, konnte ich kaum mehr still sitzen. Letzte Nacht hatte ich kaum geschlafen. Ich fuhr wieder in mein Revier zurück.
    Eigentlich sollte ich nach dem Einbrecher Ausschau halten, dachte ich. Da mir jetzt nur noch ein paar Tage Zeit blieben, hätte ich ihn zu gern gefaßt. Er trieb sich untertags in den besten Hotels der Innenstadt herum und raubte an die vier bis sechs Hotelzimmer aus, wenn er zuschlug. Die Detektive hatten uns beim Morgenappell in den Fall eingeweiht und unter anderem darauf hingewiesen, daß der Bursche mit Vorliebe an Wochentagen arbeitete – und zwar vor allem an Donnerstagen, Freitagen und speziell mittwochs. Dieser Typ brach einfach die Türen auf, was ja in den meisten Hotels kein Problem darstellt, da sie über miserable Sicherheitsvorkehrungen verfügen, und räumte dann das Zimmer aus – ganz gleich, ob jemand drin war oder nicht. Natürlich wartete er damit, bis der Betreffende unter der Dusche stand oder ein Nickerchen machte. Ich war richtig heiß darauf, Einbrecher zu schnappen. Die meisten Polizisten halten so etwas für einen Kampf gegen Windmühlen und geben die Jagd früher oder später auf. Aber ich fasse lieber einen cleveren Einbrecher als einen Straßenräuber. Und ein Einbrecher, der es schafft, ein Zimmer oder eine Wohnung auszunehmen, wenn die Leute zu Hause sind, ist mit Sicherheit nicht ungefährlicher als ein Räuber.
    Ich entschloß mich, ein Auge auf die Hotels am Harbor Freeway zu werfen. Meiner Theorie zufolge gab sich dieser Kerl als Handwerker aus und operierte möglicherweise von einem kleinen Transporter oder Reparaturwagen aus. Er war nämlich bisher noch in keinen einzigen Hinterhalt gelaufen, den ihm die Leute von der Einbruchsabteilung gelegt hatten. Ich stellte mir vor, daß er irgendwo außerhalb wohnte und über den Harbor Freeway zur ›Arbeit‹ fuhr.
    Übrigens hatte sich dieser Einbrecher bei verschiedenen Jobs etwas eigenartig aufgeführt. Er zerschnitt Kleidungsstücke – in der Regel von Frauen oder Kindern – riß die Zwickel aus der Unterwäsche, und erst kürzlich hatte er wie wild auf einen großen Teddybär eingestochen, den ein kleines Mädchen, mit einer Decke zugedeckt, auf seinem Bett zurückgelassen hatte. Ich war froh, daß niemand zu Hause gewesen war, als er in diesem Fall zugeschlagen hatte. Er war abartig veranlagt, aber ein äußerst geschickter Einbrecher. Und er hatte eine Menge Glück. Ich plante, die Hotels ein bißchen zu beobachten, aber erst wollte ich noch Glenda sehen. Wahrscheinlich hatte sie gerade Probe. Es war durchaus möglich, daß ich sie nie mehr sehen würde, und sie gehörte zu den Leuten, denen ich ein paar nette Abschiedsworte schuldig war.
    Ich betrat das kleine, heruntergekommene Theater durch den Seiteneingang. Im Augenblick bekam man hier außer einer Menge Haut praktisch nichts mehr zu sehen. Aber früher war hier ein ganz passables Varieté geboten worden, mit einigermaßen witzigen Komikern und hübschen Mädchen. Und damals war auch Glenda als ›Gilded Girl‹ berühmt gewesen. Sie war in einem goldenen Kleid auf die Bühne gekommen, um sich dann bis auf einen ebenfalls goldenen Tanga und einen goldenen BH zu entblättern. Sie war groß und graziös und tanzte überdurchschnittlich gut. Ab und zu war sie sogar in ein paar besseren Klubs aufgetreten, aber mittlerweile war sie achtunddreißig und hatte zwei oder drei Ehen hinter sich, so daß sie sich wieder mit der Main Street begnügen mußte. Hier mußte sie nun den Kunden die
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