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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten
Autoren: Corina Bomann
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etwas verwitterter blau-weißer Türkranz hing, drückte Lilly mit pochendem Herzen den Klingelknopf und suchte dann nach Ellens Hand. Diese drückte die ihre kurz, und als Lilly zur Seite blickte, nickte Ellen ihr aufmunternd zu.
    Es erschien Lilly wie eine Ewigkeit, bis sich etwas tat. Schließlich ertönten Schritte. Ellen ließ Lillys Hand wieder los, als wollte sie ihr sagen, das hier ist deine Sache, und du wirst es hinbekommen.
    Als die Tür geöffnet wurde, hatte Lilly keinen Zweifel mehr, dass es sich um den Mann handelte, der ihr die Geige gebracht hatte.
    Seine Überraschung hielt nur einige Momente an.
    »Frau Kaiser!«
    »Herr Hinrichs? Meine Mutter hat mir Ihre Adresse ge­geben.«
    Ein Lächeln huschte über das Gesicht des alten Mannes.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie hier auftauchen würden«, sagte er und trat ein Stück beiseite. »Kommen Sie doch rein.«
    »Das ist meine Freundin Ellen Morris, sie hat mir geholfen, die Geschichte der Geige zu rekonstruieren.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen. Morris klingt englisch, sind Sie von dort?«
    »Mein Mann ist Engländer. Ich stamme aus Hamburg.«
    »Und Sie kennen sich mit Geigen aus?«
    Ellen lächelte breit. »Ein wenig.«
    »Na, dann mal rein in die gute Stube!«
    Die Wohnung von Karl Hinrichs hätte gut als Kulisse eines historischen Seefahrerfilms dienen können. An den blau gestrichenen und mit weißen Sockeln versehenen Wänden hingen Ölgemälde von alten Schiffen, in der Anbauwand stan­den Buddelschiffe und alte Messgeräte herum. Die Standuhr neben dem Fenster, die Lilly auf ein Alter von gut hundertfünfzig Jahren schätzte, tickte gemächlich vor sich hin. Wenn das Pendel nach links schwang, wurde es von einem Sonnenstrahl erfasst, der es leicht aufblitzen ließ.
    »Sie wollen sicher wissen, wie ich zu der Geige gekommen bin«, sagte er, nachdem er sie zu der Sitzgruppe geführt hatte, die wie vieles hier mehr als fünfzig Jahre alt war.
    »Viel mehr interessiert mich, warum gerade ich die Geige bekommen sollte«, entgegnete Lilly. »Und warum Sie sich so schnell aus dem Staub gemacht haben, ohne etwas zu erklären.«
    »Nun, das ist eine lange Geschichte.« Ein hintergründiges Lächeln legte das wettergegerbte Gesicht in Falten. »Wie wäre es mit einem Tee? Ich habe gerade frischen gekocht. Und Sie müssen zugeben, dass es sich damit doch viel besser redet.«
    »Ja bitte«, sagte Lilly, nachdem Ellen ihr zugenickt hatte.
    Während der alte Mann in der Küche verschwand, sahen sich Lilly und Ellen um.
    Lilly war unendlich froh, dass ihre Freundin da war. Das letzte Puzzleteil, ging es ihr durch den Sinn.
    Nach einigen Minuten kehrte Hinrichs mit dem Tee zurück. Die weißen Porzellantassen erinnerten Lilly an ein Service, das ihre Schwiegereltern besessen hatten.
    »Ich war ein blutjunger Matrose, der, um dem Kriegsdienst zu entgehen, auf einem Handelsschiff im Indischen Ozean angeheuert hatte«, begann er zu erzählen, nachdem er ihnen eingeschenkt hatte. »1945, kurz vor der deutschen Kapitu­lation, kam es zu einem japanischen Angriff auf einen Passagierdampfer nahe Sumatra. Wir eilten zu Hilfe, konnten aber nur noch zusehen, wie das Schiff sank. Unter den wenigen, die gerettet werden konnten, waren zwei Kinder, zwei Mädchen, das eine neun Jahre alt, das andere gerade mal zwei. Die ältere der beiden trug einen Geigenkasten bei sich.«
    Lilly spürte, wie ihre Hände kalt wurden.
    »Sie gaben an, dass ihre Mutter und ihr Vater mit auf dem Schiff gewesen seien, doch auch nach langer Suche konnten ihre Eltern nicht gefunden werden. Der Name der Mutter war Helen Carter. Die beiden Mädchen hießen Miriam und Jennifer.«
    Lilly blickte zu Ellen. Diese schien zu erraten, was sie sagen wollte. Doch beide schwiegen und ließen den alten Mann weitersprechen.
    »Die beiden Mädchen wurden von einer christlichen Mission aufgenommen. Ich bewahrte die Geige auf und wollte sie ihnen wiedergeben, doch da waren sie bereits verschwunden. Mir ließ die Sache keine Ruhe, ich forschte nach und fand heraus, dass man die Mädchen nach Kriegsende nach Deutschland gebracht hatte. Die kleine Jennifer zur Familie Paulsen in Hamburg, Miriam wurde in der Familie Pauly untergebracht.«
    »Das ist nicht möglich!«, platzte es aus Ellen heraus, die auf einmal kreidebleich wurde.
    »Doch, das ist es«, entgegnete der alte Mann lächelnd. »Aus Jennifer und Miriam Carter wurden per Adoption Jennifer Paulsen und Miriam Pauly.«
    Lilly und Ellen sahen sich
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