Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
Müssen doch bald zwanzig Jahre sein, oder?«
    »Es sind fünfzehn Jahre«, korrigierte Ellen. »Den Rest der Zeit haben wir wild zusammengelebt.«
    »Ist trotzdem eine halbe Ewigkeit. Solche Ehen findet man heutzutage immer seltener. Aber ihr seid sicher nicht hergekommen, um mein Gejammer über heutige Ehen zu hören. Was habt ihr auf dem Herzen? Dass du Ellen dabeihast, zeigt, dass es was Wichtiges sein muss. Du hast sie immer dabeigehabt, wenn du mir was Wichtiges sagen wolltest.«
    Lilly lächelte peinlich berührt, aber es stimmte. Wenn sie sich nicht traute, ihrer Mutter irgendwas zu gestehen, war Ellen mitgekommen, als moralische Unterstützung.
    »Ich wollte dir ein Video zeigen, deshalb bin ich eigentlich nach Hamburg gekommen.«
    »Und nicht, um deine alte Mutter zu sehen? Das kränkt mich aber.«
    »Aber Mama …«
    »Schon gut, ich wollte dich nur ein bisschen aufziehen. Zeig her!«
    Lilly holte den Laptop hervor und schaltete ihn an.
    »Vor ein paar Wochen kam ein Mann zu mir in den Laden und hat mir etwas geschenkt«, erklärte Lilly kurz.
    »Was hat er dir denn geschenkt?«
    »Eine Geige. Er meinte, sie würde mir gehören. Doch er hat mir weder den Grund genannt noch seinen Namen, und wie er darauf kommt und so weiter. Ich wollte dich fragen, ob er dir vielleicht bekannt vorkommt. Es könnte natürlich auch sein, dass es jemand aus Peters Familie war, doch dort möchte ich erst aufkreuzen, wenn du dir sicher bist, ihn nicht zu kennen.«
    Damit ließ sie das Video laufen. Einen Ton gab es nicht, doch der Mann war ziemlich gut zu sehen und auch sie. Bei der Szene, als der Alte Lilly die Geige gab, erbleichte Jennifer plötzlich.
    Als Lilly das bemerkte, schaltete sie schnell ab und fragte: »Alles in Ordnung, Mama? Ist was?«
    »Nein, nein«, antwortete diese ein wenig verwirrt. »Mir geht es gut. Es ist nur …«
    Damit verfiel sie in Schweigen. Lilly blickte ratlos zu Ellen, spielte schon mit dem Gedanken, die Klingel für die Schwester zu drücken, dann erwachte Jennifer wieder aus der Starre. Als sie sie ansah, schien es, als sei sie von einer Reise weit zurück in ihre Erinnerungen zurückgekehrt.
    »Ich kenne diesen Mann tatsächlich.«
    »Bist du sicher? Willst du ihn noch einmal ansehen?«
    Jennifer schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich denke, das ist nicht nötig. Ich habe ihn vor vielen Jahren getroffen, damals warst du noch ein Kind. Und er natürlich ebenso wie ich viele Jahre jünger.«
    »Und wie kam er auf die Idee, dass mir die Geige gehört?«
    »Das kann ich dir nicht sagen, denn ich habe ihn damals weggeschickt. Aber er hat mir seinen Namen genannt und sogar seine Adresse.«
    »Weggeschickt?« Verwirrt blickte Lilly zu Ellen, die damit aber auch nicht mehr anfangen konnte.
    »Ja, weggeschickt. Ich wollte nichts davon wissen, denn wie hätte die Geige mein Leben bereichern sollen? Ich hatte einen Mann, ich hatte eine Tochter, und ich hatte Angst, etwas herauszufinden, das mein Leben von Grund auf erschüttert. Manchmal ist es besser, die Geister ruhen zu lassen …«
    War es das wirklich?, fragte sich Lilly. Wenn ja, dann war es bereits zu spät für sie, denn die Geister waren bereits los, und das Geheimnis von einigen kannte sie bereits. Was würde sie noch finden?
    »Und die Adresse weißt du noch?«, fragte Ellen weiter, worauf Jennifer nickte. »Obwohl ich das, was der Mann mir geben wollte, nicht angenommen habe, habe ich seinen Namen niemals vergessen.«

32
    Das reetgedeckte Haus in einem der Außenbezirke von Hamburg wirkte ein wenig renovierungsbedürftig, und auf den ersten Blick machte es den Anschein, als sei der Besitzer nicht zu Hause. Ein Forsythienstrauch neben dem Gebäude strahlte in gelber Pracht, im Vorgarten neigten Schneeglöckchen ihre voll erblühten Köpfe, während lilafarbene Krokusse vorwitzig aus dem dünnen Gras lugten.
    Ein wenig zögerlich öffnete Lilly die Gartenpforte, doch sie traute sich nicht so recht, den mit Steinplatten bedeckten Weg zu beschreiten. »Was, wenn er nicht da ist?«, fragte sie.
    »Dann kommen wir ein anderes Mal wieder«, entgegnete Ellen. »Nun mach schon, du willst doch wissen, ob er es ist, oder nicht?«
    Während sie den Weg entlangschritten, bemerkte Lilly auf dem Hinterhof einen Magnolienbaum, der in voller Blüte stand. Die zartrosa Blüten gehörten auch zu Berlins Stadtbild, doch nie zuvor hatte sie sie so bewusst wahrgenommen wie jetzt. Magnolien wuchsen auch auf Sumatra …
    An der Haustür angekommen, an der ein schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher