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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)
Autoren: A. Lee Martinez
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versuchte zu schreien. Ihr Hals füllte sich mit Galle, und ihr Gehirn schmolz, als sich sämtliche Zellen ihres Körpers in absolutem Entsetzen zusammenzogen, bevor sie explodierten.
    Schweißgebadet wachte sie auf. Ihr Herz hämmerte. Eiseskälte in der Luft ließ ihren Atem gefrieren. Und nur einen Augenblick lang glaubte sie, die Wände bewegten sich und etwas schwimme unter der Bettdecke.
    Sie machte das Licht an. Schlagartig war alles wieder normal. Ihr Grauen löste sich genauso schnell in Wohlgefallen auf, wie es gekommen war. Die Luft wurde warm. Sie staunte, wie fremdartig und doch real der Traum gewesen war. Auch wenn jetzt alles verblasste und zu einer schattenhaften Erinnerung wurde, wie das bei Träumen so war.
    Diana stand auf, holte sich ein Glas Wasser und machte sich auf den Rückweg ins Bett.
    »Schlecht geträumt?«, fragte jemand.
    Sie fuhr zusammen und drehte sich herum. Selbstverteidigungskurse schossen ihr durch den Kopf, sie war bereit zu schreien, in Augen zu stechen und zu tun, was immer nötig war.
    Es war niemand da.
    »Beruhige dich, Mädchen«, sagte sie zu sich selbst. »Das hast du dir eingebildet.«
    »Nein, hast du nicht«, sagte die Stimme.
    Sie zuckte wieder zusammen, aber diesmal besaß sie die Geistesgegenwart, auf die Quelle zu horchen.
    Es kam aus dem Schrank.
    »Hallo?«, fragte sie ruhig. »Ist da jemand drin?«
    Es kam keine Antwort.
    »Hallo?«
    Keine Antwort.
    Sie ging ins Bad, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete sich mit einem Handtuch ab. Sie klebte vor Schweiß, die Dusche wirkte verlockend. Aber sie hatte genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, was dann passierte.
    Ein Teil von ihr sagte, es sei Zeit zu gehen. Pack nichts zusammen. Zieh dich nicht an. Geh einfach aus der Wohnung und schau nicht zurück. Aber das war dumm. Sie würde sich nicht von einem verrückten Traum aus ihrem neuen Zuhause verjagen lassen.
    Ein anderer Teil von ihr merkte an, das sei nur ein Traum. Sie werde jeden Moment aufwachen und über sich selbst lachen. Aber alles war so klar, so deutlich. Sie hatte nie zuvor etwas so Abgefahrenes geträumt wie die Flugsequenz am Anfang. Noch etwas so Gewöhnliches, wie in ihrer Wohnung herumzugehen und nach einer Geisterstimme zu suchen.
    »Schlechtes Feng Shui«, sagte sie zu sich selbst, als erkläre das alles.
    »Oh, da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte der Schrank. »Die Couch sollte wirklich ein bisschen weiter rechts stehen. Und der Couchtisch wirkt der Offenheit des Raumes entgegen.«
    Die Stimme drohte nicht. Diana war entschlossen, ruhig zu bleiben, aber sie würde nicht hierbleiben oder etwa nachsehen. Die meisten dummen Opfer in Filmen starben, weil sie nicht klug genug waren, vor dem Geräusch der Kettensäge zu fliehen. Sie wollte nicht in ihrer Unterwäsche herumrennen, denn das kam ihr auch wie ein Klischee vor. Aber innezuhalten und sich im Namen der Eitelkeit anzuziehen brachte einen in solchen Situationen ebenfalls um.
    Die Eingangstür war fort. Da war nur eine Wand. Es gab keine Fenster oder andere Wege nach draußen.
    Sie saß in der Falle.
    »Keine Panik«, sagte der Schrank. »Lass uns jetzt bloß nicht den Kopf verlieren, dann bekommen wir das alles schon hin.«
    Diana sagte: »Das ist nicht lustig.«
    »Du glaubst doch nicht, ich fände das lustig, oder?«, erwiderte der Schrank. »Mir gefällt dieses Arrangement genauso wenig wie dir!«
    Sie probierte das Telefon aus.
    »Nicht den Schrank öffnen!«, sagte Wests vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung.
    Sie legte auf und wählte den Notruf.
    »Nicht den Schrank öffnen!«, wiederholte West.
    »Scheiße! Das können Sie doch nicht machen! Das ist illegal! Die Leute werden merken, dass ich weg bin!«
    »Du kannst jederzeit gehen, Nummer Fünf.«
    »Wie?«
    »Öffne den Schrank.«
    »Aber Sie sagten, ich solle den Schrank nicht öffnen!«
    »Bleib, solange du kannst, Nummer Fünf«, sagte West. »Geh, wann immer du willst.«
    Die Leitung verstummte.
    »Sieht aus, als hätten wir einander am Hals«, sagte der Schrank.
    Diana hämmerte gegen die Wände und schrie ein paar Minuten lang. Niemand hörte sie. Oder vielleicht doch. Andere Gefangene in Wests bizarrem Spiel. Sie verwendete eine hohe Stehlampe als Rammbock gegen die Wand, aber die Auswirkungen waren zu vernachlässigen. Sie kratzte die Farbe ab und schlug ein bisschen Holz von der Wand. Wenn das ihre einzige Möglichkeit war, dann würde das eine Menge Arbeit werden. Selbst wenn er nichts Abartiges
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