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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See
Autoren: Danella Utta
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und einen großartigen Job bei der Firma habe. Und dann suche ich mir ein Mädchen!« Ich blickte schwärmerisch zur Decke, wo ich das Wundermädchen schweben sah. »Das schönste Mädchen der Welt. Zart und schlank, blond und süß, mit zärtlichen blauen Augen, so ein Mädchen muß es sein.«
    Komisch, was da vor meinen inneren Augen schwebte, glich aufs Haar Annabelle. Blond und zart, schutzbedürftig, zärtlich – hatte ich je ein Mädchen gesehen, das mir besser gefiel als sie? Nie!
    Nie.
    Nun, das war lange vorbei. Annabelle hatte längst geheiratet. Und daß sie für mich unerreichbar war, das hatte man mir ja damals deutlich genug zu verstehen gegeben. Annabelle de Latour, die Tochter vom Schloß. Solange sie ein Kind war, durfte ich mit ihr spielen. Später nicht mehr.
    Die Kollegen hatten inzwischen den Faden aufgenommen und malten weiter an dem Bild des Mädchens, das ich mir vorstellte. Der eine wollte sie mit großem, der andere mit kleinem Busen haben. Einer bestand auf einem Grübchen in der Wange, und der kleine Sanders meinte frech, er finde ein Grübchen am Popo viel reizvoller.
    Thaler hörte sich das geduldig an und nippelte langsam an seinem Whisky.
    »Und sonst, Ried? Sonst soll sie gar nichts sein? Nur schön und zärtlich?«
    »Reich natürlich auch«, quakte Tillessen dazwischen. »Das ist besonders wichtig.«
    Ich winkte ab. »Mit reichen Mädchen ist es schwierig.«
    »Ich könnte mir noch ein paar andere Eigenschaften vorstellen«, meinte Thaler.
    Ich sah ihn an und wußte, was er meinte.
    »Klug«, sagte ich. »Und ein guter Kamerad.«
    »Ja.« Thaler nickte bedächtig. »Ein Freund. Versteht ihr? Ein echter Freund, in guten und in bösen Tagen. Ob sie dann einen großen oder kleinen Busen hat und ein Grübchen hier oder dort, spielt gar keine Rolle. Daran gewöhnt man sich. Aber das andere, das ist viel wichtiger.«
    Er konnte gut reden. Es war keine Theorie. Er hatte so eine Frau. Karin Thaler war die Frau, die mir außer Annabelle in meinen Leben am besten gefallen hatte. Keine Übertreibung. Es spielte keine Rolle dabei, daß sie gut zehn Jahre älter sein mochte als ich. Tatsache war, daß ich Thaler um diese Frau beneidete. Sie mußte einmal ein bildschönes Mädchen gewesen sein. Und sie sah immer noch blendend aus, obwohl sie zu Hause in Deutschland drei Kinder hatte. – Schlank, hochbeinig, ein schmales rassiges Gesicht mit großen graublauen Augen, hellblondes Haar, und das Lächeln eines jungen Mädchens. Die beiden führten eine glückliche Ehe, das merkte man, ohne daß ein Wort darüber gesprochen wurde. Sie waren – nun ja, eben nicht nur ein Ehepaar, sondern Freunde. Und das Schlimmste, das sie erlebt hatten, hatte sie nur enger aneinander gebunden.
    Ich wußte ja nur einiges über ihr Leben, was man eben so im Laufe der Zeit erfuhr. Er hatte den ganzen Krieg mitgemacht, war schwer verwundet worden, und dann in russischer Kriegsgefangenschaft. – Zwei Kinder hatte sie damals schon, sie lebte in der Sowjetzone. Als er dann kam, war er kein junger Mann mehr. Und das Leben war schwer für sie. Vor fünf Jahren waren sie in die Bundesrepublik gekommen, er nun schon ein Mann in den Fünfzigern, mit der schweren Aufgabe, ganz neu anzufangen. Unsere Firma hatte ihn angestellt, aber nur in verhältnismäßig bescheidener Position. Die großen Posten gehörten heute den Jungen.
    Und darum war er nach Rourkela gegangen. Hier bekam er eine leitende Position, hier verdiente er viel mehr, und man hatte ihm zugesagt, wenn er noch fünf Jahre Indien machte, würde er dann in der Heimat eine gute Position bekommen. Es war wichtig für ihn. Die beiden Ältesten brauchten eine gute Ausbildung, der Große studierte schon, soviel ich wußte. Der kleine Nachkömmling benötigte noch lange Zeit, bis er erwachsen war.
    Sie hätte daheimbleiben können. Gemütlich in Deutschland, in einer hübschen Wohnung, bei ihren Kindern, Geld war ja nun da, sich pflegen, noch ein bißchen was vom Leben haben, ehe sie alt wurde.
    Aber sie war mit ihm gegangen. Der Mann war so viel allein gewesen, hatte sie so lange entbehren müssen. Er war nicht mehr gesund, das Klima bekam ihm nicht. Sie wußte, daß es für ihn leichter sein würde, wenn sie bei ihm war.
    Freunde! Ja. Das war es wohl.
    Ich nickte Thaler zu. »Sie haben recht. Wieder einmal ganz genau auf den Punkt. Ich werde daran denken, wenn es soweit ist.«
    Ach, du lieber Himmel! Ich ahnungsloser Narr. Woran würde ich noch denken, wenn ich
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