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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See
Autoren: Danella Utta
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hupte es.
    »Also was dean ma?« fragte mein Fahrer und startete. »Hier koa i net stehenbleiben über Nacht.«
    »Ja«, meinte ich unentschlossen, »dann müssen Sie mich eben in einem Lokal absetzen, wo ich telefonieren kann.«
    »I wüßt Eahna was. Freili woaß i net, ob die an Platz frei ham. In Schwabing drunt, da kenn i so a kloans Hotel. Is mehr a Pension, aber sehr nett. Dös is ganz in der Näh, wo i wohn.«
    »Gut. Fahren wir dahin. Und dann sind Sie wenigstens gleich zum Abendessen zu Hause.«
    »Eben. Dös hab i mir a denkt.«
    Das kleine Hotel in Schwabing, das eigentlich eine Pension war, hatte wunderbarerweise ein Zimmer für mich frei. Sogar ein sehr schönes großes Eckzimmer mit Schreibtisch, Radio und danebenliegendem Badezimmer. Überraschend hatte einer abreisen müssen. Die Wirtin, eine ältere rundliche Frau, schien sich außerordentlich zu freuen, daß ich bei ihr gelandet war. Sie schickte mir ein eiskaltes Bier aufs Zimmer und ein hübsches blondes Mädchen, das mir beim Auspacken half. Und zum Schluß kam noch eine Vase mit drei roten Tulpen, die man mir auf den Tisch stellte. Ich war gerührt. Genauso hatte ich mir das Heimkommen vorgestellt. Ich badete, rasierte mich und setzte mich dann in einen tiefen Plüschsessel und döste gemütlich vor mich hin. At home! Das konnte nur der verstehen, der fortgewesen war.
    Noch am Abend machte ich die Bekanntschaft von Erika. In einem Lokal in der Leopoldstraße hatte ich zu Abend gegessen – es gab hier mehrere neue Lokale, die ich noch nicht kannte – und war dann gemütlich durch einige Schwabinger Kneipen gebummelt. Das war eigentlich wie früher. Harte Stühle, Rauch und Lärm, tanzende Paare, junge Künstler von wildem Aussehen, ein paar Provinzonkels dazwischen.
    So ein Provinzonkel saß bei ›Gisela‹ am Nebentisch, Anfang Sechzig etwa, dick und rotgesichtig, die Sektflasche auf dem Tisch. Neben ihm ein schlankes, hochbeiniges Reh, silberblonde lange Mähne, himmelblaue Augen mit langen Wimpern. Jung und unschuldig sah sie aus. Gar nicht übel. Vielleicht die Tochter von dem Alten. Wir wechselten ein paar Blicke von Tisch zu Tisch, ich wagte ein Lächeln, sie lächelte zurück. Dabei kaute sie gelangweilt an ihrem Strohhalm. Na ja, war sicher nicht sehr unterhaltend für die Kleine, mit dem Papa hier zu sitzen. Ob ich mal – na klar, warum nicht?
    Als die Trompete schmetternd den nächsten Tanz anblies, erhob ich mich. Ich hatte zwar keine Ahnung, was das für ein Tanz war, aber das spielte keine Rolle, auf der Tanzfläche war sowieso wenig Platz, da kam es nicht darauf an, wie man sich dort herumdrückte.
    Ich machte die zwei Schritte zum Nebentisch, produzierte eine tadellose Verbeugung, fragte den Alten: »Sie erlauben?« und wandelte hinter der Blonden, die eilig aufgestanden war, zur Tanzfläche. Es ging ganz gut. Sie schmiegte sich weich in meinen Arm, tanzte sehr sicher und graziös, lächelte ein paarmal unter halbgesenkten Lidern zu mir auf, sagte »au«, als ich ihr auf den Fuß trat, sagte »macht nix«, als ich mich entschuldigte, und dann brachte ich sie zu ihrem Vater zurück, bedankte mich bei beiden und setzte mich wieder vor meinen Whisky.
    Na, siehst du, mein Junge. Ist gar nicht so schwer mit der Zivilisation. Übrigens schien der Papa nicht sehr erfreut gewesen zu sein, daß ich mit dem Töchterchen getanzt hatte, kein Blick, kein Lächeln, nicht mal ein Nicken auf mein höfliches Tanzstundengebaren hin. Da sagte man immer, die junge Generation hätte keine Manieren. Die Alten schon gar nicht.
    Ich ließ einen Tanz aus. Beim übernächsten stellte ich mich wieder in der Nachbarschaft ein.
    Als wir tanzten, sagte die Blonde mit einem Blick zu ihrem Alten Herrn hin: »Jetzt ist er sauer.«
    »Warum?« fragte ich erstaunt.
    »Sehen Sie, jetzt winkt er der Kellnerin. Jetzt will er zahlen.«
    »Warum?« fragte ich wieder.
    »Na, weil ich mit Ihnen tanze. Das ist doch klar.«
    »Hat Ihr Vater denn etwas dagegen, wenn ich mit Ihnen tanze? Warum geht er dann mit Ihnen hierher?«
    Der Blick, den sie mir zuwarf, war voll abgrundtiefer Verachtung.
    »Mein Vater! Na Mensch, Sie sind wohl reichlich behämmert. Wo kommen Sie denn her? Aus dem Urwald?«
    Sie hatte es fast getroffen.
    Ich nickte. »So etwas Ähnliches. Nicht Ihr Vater also. Onkel auch nicht? Eine Art väterlicher Freund demnach.«
    »So was Ähnliches«, wiederholte sie meine Worte und kicherte.
    »Und die Gefühle, die seine Brust erfüllen, wenn Sie mit mir
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