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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
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einen Versuch laufen.«
    »Du bist ein Streber«, sagte Ocker, »du bist ein Monstrum von einem Streber. Also gehen wir.« Er nahm den Rausschmiss völlig gleichmütig hin. Als er mit seiner Frau durch den Garten zu seinem Wagen ging, schwankten beide. Ocker ließ die Reifen mächtig quietschen, als er losfuhr. Er hatte irgendwann den Absprung versäumt und würde wohl nie erwachsen werden.
    »Willst du wirklich noch etwas tun?«, fragte Maria.
    »Ja«, sagte Horstmann. »Geh ruhig schlafen!«
    »Ist gut«, murmelte sie. Aber gar nichts war gut. Während sie den Tisch abräumte und die Stühle zusammenklappte und dabei wirkte wie eine Frau, die das Leben und zu viel Arbeit schon kaputtgemacht haben, dachte sie, dass dieser ewig lustige und ein bisschen schmierige Ocker eigentlich Recht hatte. Wieso gingen sie jetzt nicht zusammen ins Bett? Wieso spannte sich ihre Decke immer wie ein Brett, wenn die Ockers solche Dinge sagten? Es war nie viel Wirbel gewesen in ihrem Leben. Und alles das, was sie sich an Aufregung und hastigem Atmen von ihrem Mann gewünscht hatte, war getötet worden durch die Zeit. Ich bin so stumpf wie ein altes Küchenmesser, dachte sie, ich kann ihm nicht mal mehr weh tun. Das ist alles zum Verrücktwerden.
    Horstmann war in seinem Labor im Keller. Er fand es amüsant, dass keiner der Würmer von der glatten Tischplatte gerutscht war. Sie hatten alle zusammen einen sehr dicken Kiefernzweig zerstört und sich zu einem Klumpen zusammengeformt, in dem Leben und Wärme von Leib zu Leib zu springen schienen wie elektrische Funken.
    Horstmann machte sich eine Weile Aufzeichnungen über die Art, wie die Tiere den Kiefernzweig erledigt hattenund wie sie sich dann, einer Zigeunerfamilie gleich, zusammengezogen hatten zu einem Ball, der unangreifbar schien.
    Dann nahm er eine kleine Glasschale und zupfte mit einer Pinzette einen Wurm aus dem Ball. »Der erste Tote der Nation«, murmelte er heiter. Er legte den Wurm in die Schale. Sein Vorrat an bis jetzt bekannten Schädlingsbekämpfungsmitteln war gering. Er besaß nur etwa dreißig. Aber diese Mittel waren sogenannte Basismittel. Sie enthielten alle die Giftstoffe, aus denen man sämtliche Tötungsmittel zusammensetzen konnte. Keines der dreißig Mittel tötete den Wurm. Horstmann wusste, dass es schwierig werden würde.
    In einem Anfall von Zorn ließ er aus einer Flasche etwas Cyanid auf den Kiefernfresser tropfen. Er schrieb in sein Notizbuch: »Betrifft: Nordamerikanische Kiefernfresser. Wie die ersten Untersuchungen ergeben, ist der Schädling unangreifbar, wenn man auf die bisher bekannten Toxine für Schädlinge zurückgreift. Man kann mit bloßem Auge am Kopf, dicht unter den Zangen, eine sehr große, graue Zelle sehen, die ähnliche Bewegungen macht, wie man sie beim Pumpvorgang des menschlichen oder tierischen Herzens beobachten kann. Es ist möglich, dass diese Zelle der einzige Angriffspunkt ist, den wir haben. Der Schädling ist mit ziemlicher Sicherheit eine Folge der im Übermaß zur Verwendung gelangten Gifte wie DDT oder E 605. Er ist gegen diese Gifte von Natur aus immun.«
    Oben im Flur war ein mattes Geräusch. Horstmann öffnete die Tür und fragte halblaut: »Bist du es, Harald?«
    »Ich bin es«, sagte Sabine.
    »Komm bitte mal herunter.« Er war dankbar, dass sie gekommen war.
    »Sei doch leise«, sagte das Mädchen ohne eine Spur von Respekt.
    Horstmann wartete, bis sie um die Windung der Treppe kam. Sie trug einen sehr kurzen Rock mit einem sehr breiten Gürtel und einem sehr engen, dunklen Pullover. Horstmann war einen Augenblick lang stolz auf sie, weil sie hübsch war.
    »Du hast einen neuen Freund?«
    »Ja.« Sie ging an ihm vorbei, aber nichts an ihrem Gesicht war Trotz.
    Horstmann spürte eine plötzlich aufkeimende Wut. Er hatte eine Inquisition gewollt, aber für das kleine Luder war es offensichtlich nur ein Spiel.
    »Wie heißt er denn?«
    »Jo.«
    »Jo ist kein Name. Wahrscheinlich heißt er also Johann.«
    »Nein, Jo. Wir nennen ihn einfach Jo. Er heißt in Wirklichkeit John. Er ist der Sohn von dem hiesigen Städtischen. Du kannst eigentlich nichts dagegen haben.«
    Sie saß auf seinem Arbeitsschemel, die Beine gespreizt, so dass er ihren Slip sehen konnte, einen Arm aufgestützt, als sei das alles entsetzlich langweilig.
    »Wieso kann ich nichts dagegen haben?«, fragte Horstmann bösartig.
    »Na ja, du willst doch in die feinen Kreise«, sagte sie. »Das will doch jeder.«
    Einen Augenblick lang war er versucht,
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