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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
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brauche mehr Ruhe.«
    »Natürlich«, sagte die Frau.
    Horstmann zog sein Jackett aus, nahm die Schachtel mit den Würmern, legte das Jackett darüber und ging aus dem Laborgebäude. Auf dem Parkplatz sprach er eine Weile mit dem Wächter und fand, dass der ein sehr gutes Leben führen müsse, denn er war ein wenig dümmlich, mit dem Hang zu einem Lächeln, das unentwegt kam und ging.
    »Herr Doktor haben wohl gesumpft letzte Nacht, wie, oder vielleicht Grippe?«
    »Nein«, sagte Horstmann. »Ich muss nach Hause, um etwas in einem Buch nachzulesen.«
    »In einem schlauen Buch, nicht?« Der Parkplatzwächter lächelte wieder. »Ich hatte früher auch mal solche Pläne. Pilotwollte ich werden oder einer von denen, die im Fernsehen das Wetter voraussagen. Aber das hat alles nicht geklappt.«
    »Warum nicht?«, fragte Horstmann. Er hatte kein sonderliches Interesse an diesem Mann, aber er war niemals mutig genug gewesen, Desinteresse zu zeigen, wenn es verletzend wirken konnte.
    »Ich habe doch ein Holzbein«, sagte der Mann vorwurfsvoll. »Oder wissen Sie das nicht mehr?«
    »Sicher«, sagte Horstmann schnell und legte Bedauern in seine Stimme, obwohl es ihm vollkommen gleichgültig war.
    Er fuhr durch Frankfurt wie ein Automat. Er dachte dauernd an die Würmer, die sich in der Schachtel hinten auf dem Rücksitz krümmten. Sie brauchen etwas zu fressen, dachte er. Sie sollen mir was vorfressen. Ich muss irgendwohin fahren, wo es Kiefern gibt. Aber wo gibt es Kiefern? Vielleicht fressen sie auch nur kanadische Kiefern und keine deutschen? Er fuhr zum Flughafen. Es gab da an der Autobahn Kiefernschonungen.
    Als er sein kleines Haus erreichte, hatte er den ganzen Kofferraum voll Kiefernzweige. Er fragte sich plötzlich, ob es denn so unbedingt notwendig sei, diesen Schädling zu zerstören. Jahrhundertelang, jahrtausendelang haben die Menschen von Überschwemmungen bis hin zu Heuschrecken alles über sich ergehen lassen, dachte er. Warum soll man diese Würmchen nicht ertragen? Aber dann dachte er an das rosarote Gewimmel, das so aussah wie zuckendes, pulsierendes Tartar, und der Ekel kam wieder, und der Wille zu vernichten.
    Er fuhr den Wagen in die Garage und trug die Pappschachtel in das Haus hinein. Er ging sofort hinunter in den Keller, den er sich als provisorisches Laboratorium eingerichtet hatte, und stellte die Schachtel offen vor einen kleinenInfrarotstrahler. Als er mit dem Arm voll Kiefernzweige in den Keller kam, hatten die Fresser sich entwirrt und krochen auf der glatten Resopalplatte herum.
    »Hier ist was für euch«, sagte Horstmann. Er legte einen jungen Kiefernzweig über das Gesprenkel der Würmer, rückte einen Stuhl heran und begann eine Zigarette zu rauchen. Sein einziges Arbeitsgerät war eine übergroße Lupe. Er wollte seinen Gegner studieren, seine Angriffsmethoden kennen lernen.
    Nach zehn Minuten hatten sich die Würmer um den Kiefernzweig drapiert wie ein lebender Lorbeerkranz. Sie fraßen sehr hastig und zielstrebig, während Horstmann mit der Lupe ihre kleinen Zangen am Kopfende bewunderte und die ungeheure Härte, mit der sie dem harzgefüllten Material zu Leibe gingen. Er notierte die Zeit, die sie brauchten, um den Ast vollkommen kahl zu fressen und damit dem Sterben auszuliefern. Es währte zwanzig Minuten, und Horstmann empfand so etwas wie Hochachtung vor den Tierchen.
    Dann zählte er sie zweimal. Das dauerte drei Stunden. Er kam auf eine Zahl von 4743, die er auf 4700 reduzierte, indem er den Rest einfach in einer Schale über einen Bunsenbrenner hielt und verbrannte. Mit einer glatten Zahl konnte er leichter rechnen, falls das überhaupt notwendig sein sollte.
    Alles in allem war das Ergebnis deprimierend. Er versprühte ein Dutzend der herkömmlichen Schädlingsbekämpfungsmittel auf die Tiere und erzielte kein Ergebnis außer einem gelegentlichen Zucken der rosaroten Leiber, als ärgere sie diese Störung.
    So arbeitete Horstmann bis sechs Uhr abends, ohne sich vergewissert zu haben, dass die Kinder oder seine Frau zu Hause waren. Das war ihm auch gleichgültig. Sie würdenden Wagen in der Garage sehen und wissen, dass er in seinem Keller hockte und arbeitete.
    Dann fiel ihm plötzlich etwas auf. Im Bericht der Biologen stand zwar, dass diese Würmer sich durch Eiablage vermehrten, aber es war nicht verzeichnet, wo sie ihre Eier ablegten. Taten sie es in der Schicht der faulenden Kiefernnadeln auf dem Erdboden, legten sie sie einfach in die Sonne, oder legten sie sie in die Rinde
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