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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
Autoren: Peter May
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Licht der anderen Gondel drang durch das Schneetreiben zu ihnen herüber, und in den wenigen Sekunden des Passierens sahen sie Anna, die mit bleichem, wutverzerrtem Gesicht zu ihnen herüberblickte. Sie bewegte den Mund, und sie konnten ihr den Fluch von den Lippen ablesen. Dann tauchte sie unter ihnen in die Dunkelheit und war verschwunden.
    In der aufsteigenden Gondel trat erneut Schweigen ein. Keiner von ihnen wusste, was er sagen sollte. Die diffuse Angst wich jetzt einer handfesten bösen Ahnung.
    Bertrand wandte sich an Kirsty. «Wie lange dauert das noch?»
    «Nur ein paar Minuten.»
    Doch es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Kabine in die dunkle Höhle der Bergstation gezogen wurde und schwankend zum Stehen kam. Bertrand übernahm die Taschenlampe von Kirsty. «Haltet euch dicht hinter mir. Hier oben sollten wir schön zusammenbleiben.» Er trat auf das Eisengitter hinaus und richtete den Strahl in die große Ankunftshalle. Der Wind war in Gipfelhöhe um ein Vielfaches stärker, das Tosen wurde von den kahlen Wänden des Betonbaus zurückgeworfen. Der Schein der Taschenlampe drang in die Leere des riesigen Raums und verweilte einen Moment auf der offenen Tür eines Stromkastens an der Wand, das Gegenstück zu demjenigen, den Bertrand an der unteren Station aufgebrochen hatte.
    Es schien niemand da zu sein, und so pirschte sich Bertrand, das massive Werkzeug schlagbereit, langsam voran. Die Mädchen folgten ihm die Stufen hinauf und von dort aus durch die Halle mit der Cafeteria. Auch hier kein Anzeichen von Leben. Nur das Heulen des Windes. Bertrand senkte die Taschenlampe, und sie sahen die nasse Fußspur quer über dem Beton. Sie hatte fast etwas Beruhigendes, sie sagte ihnen: Menschen sind hier gewesen. Bertrand folgte den Stapfen bis zur Tür ins Freie. Die anderen blieben direkt hinter ihm.
    Der Schnee, den ihnen der Wind entgegenblies, raubte ihnen fast den Atem. Kaum trat Bertrand durch die Tür, schaltete der Bewegungsmelder das Außenlicht ein. Augenblicklich sah er die Spuren im Schnee, Fußabdrücke, die trotz des Gestöbers noch zu erkennen waren. Er richtete den Lichtstrahl darauf, und sie folgten ihnen den Hang hinauf bis zum Gipfel. Sie waren noch nicht weit gekommen, als die Beleuchtung hinter ihnen ausging. Für einen Moment fühlten sie sich in der plötzlichen Finsternis, mitten in einem Schneesturm, schutzlos und ausgeliefert.
    Sophie packte Bertrand am Arm und deutete über den Lichtkegel hinaus. «Da vorne, weiter oben, wo die Spur hinführt, liegt irgendwas im Schnee.» Bertrand hob die Lampe, und sie sahen die dunkle Gestalt eines Mannes. Rings um ihn glänzte das Scharlachrot von frischem Blut im Neuschnee.
    Kirsty rannte an den anderen vorbei und kniete sich neben die Leiche. Als Bertrand die Lampe nahe heranhielt, blickte sie in das Gesicht des Mannes, der sie in Straßburg vom Boden hochgezogen hatte. Der Mann mit dem fehlenden Ohrläppchen. Seine Augen waren geöffnet und starrten mit leerem Blick in die Ewigkeit. Beinahe hätte sie vor Erleichterung aufgeschrien.
    Sophie brüllte in den Wind: «Wo ist Papa?»
    «Was ist das denn?» Nicole nahm Bertrand die Taschenlampe aus der Hand und richtete sie auf eine Spur, die sich in der Distanz verlor. Etwas oder jemand war durch den Schnee geschleift worden. Die Spur war blutverschmiert. «Oh Gott.» Sie rannte los, die anderen dicht hinterher, gepackt von der Angst vor dem Unausweichlichen, das sie am Ende der Fährte erwartete.
    An dem zerbrochenen Zaun hörte die Spur plötzlich auf. Nicole beugte sich darüber und richtete die Lampe in die Dunkelheit. Durch die unaufhörlichen, dichten Flocken wanderte der Lichtstrahl langsam über die Böschung unter ihnen, bevor er am Fuß eines etwa fünf Meter tiefen Felshangs eine Gestalt erfasste, die eingerollt am Boden lag.
    Bertrand riss Nicole die Taschenlampe wieder aus der Hand, sprang über den Felsrand und rutschte zu der reglosen Gestalt hinunter. Als er sie erreichte und auf den Rücken drehte, kamen die Mädchen hinterhergeschlittert und sahen Enzos blutdurchtränkte Brust.
    «Oh nein, sie hat ihn erschossen!» Sophie war am Rande der Hysterie. Doch Bertrand fühlte am Hals nach dem Puls. «Er ist noch am Leben.» Sofort riss er Enzo die blutige Jacke und das Hemd auf. «Das Blut ist nicht von ihm. Er ist nicht verwundet.»
    Kirsty zog sich den Wintermantel aus und wickelte ihn um Enzo. Dann neigte sie sich vor und küsste ihn auf die Stirn, genau wie Anna es zehn Minuten
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