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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
Autoren: Peter May
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rannten.
    Auf der Einstiegsplattform war niemand zu sehen, und nur eine der beiden Gondeln befand sich in ihrem Dock. Ihr Innenraum war dunkel, die Türen waren verschlossen. «Es ist niemand da!», brüllte Kirsty gegen den Wind.
    Nicole schrie zurück: «Seht mal!» Sie zeigte zum Gipfel hinauf, und sie sahen durch die Schneeregenwand in der Ferne ein Licht, das plötzlich wieder verschwand.
    «Sie sind da oben. Sie müssen da oben sein!», rief Sophie. Ihre Stimme wurde vom Heulen des Sturms in den Metallstreben und Trägern über ihren Köpfen fast geschluckt. «Können wir das Ding nicht irgendwie in Bewegung setzen?» Mit eisigen Fingern versuchte sie, die Kabinentüren auseinanderzudrücken.
    «Moment», sagte Bertrand. Er ging zu einem großen Metallkasten hinüber, der an der Außenwand hing. Aus der Unterseite ragten dicke Kabel hervor, die zusammengebündelt alle paar Zentimeter an der Wand befestigt waren, bis sie im Betonboden verschwanden. Ein kräftiger Stahlriegel an der Tür des Kastens war durch ein schweres Vorhängeschloss gesichert. Bertrand machte sich sofort daran, mit seinem Radschlüssel darauf einzuschlagen.
    «Was soll das werden?», brüllte Sophie.
    «Das könnte der Verteilerkasten sein. Wenn ich ihn aufkriege, bekommen wir vielleicht die Seilbahn in Gang. Kirsty, bring mir mal bitte die Taschenlampe.»
    Im Lichtschein sahen sie, dass die Tür inzwischen rings um das Schloss mit kleinen Kerben übersät war, dennoch hatte Bertrand bis jetzt nicht viel ausrichten können. Er hielt kurz inne und sah sich den Riegel aus der Nähe an, schob dann das gerade Ende des Werkzeugs durch den Bügel des Vorhängeschlosses und stemmte sich mit dem Fuß gegen die Wand. Er zog mit beiden Händen, setzte die ganze Kraft seiner Arme und Schultern ein, bis die Adern auf der Stirn dick hervortraten. Nun zeigte sich, dass jahrelanges Hantelstemmen neben einem ästhetischen auch einen praktischen Wert besaß. Das Metall des Kastens ächzte laut, als die Tür sich nach innen wölbte. Doch das Schloss hielt stand.
    Bertrand legte eine kurze Pause ein, um durchzuatmen und sich zu konzentrieren, ging erneut in Stellung und zog wieder, diesmal so fest, dass er vor Anstrengung aufschrie. Im selben Moment riss die ganze Vorderseite des Kastens aus den Angeln. Bertrand stolperte nach hinten, aus der Balance geworfen vom plötzlichen Nachgeben der Scharniere. Im Kasten befand sich ein riesiger Netzschalter. Als er ihn umlegte, leuchtete das Bedienfeld darunter auf, und der Einstiegsbereich wurde in helles Licht getaucht. Er drückte den Knopf mit der Aufschrift Türen , und die Schiebetüren der Gondel öffneten sich. Drinnen flackerten starke Leuchtstofflampen auf.
    «Mist», sagte Bertrand. «Jemand wird hier unten bleiben müssen, um das Ding zu bedienen.»
    Doch Kirsty schüttelte den Kopf. «Nein, der Seilbahnführer fährt mit rauf. Drinnen gibt es noch eine Bedienkonsole.»
    Sie stürmten alle gleichzeitig hinein, und Bertrand fand die Schalter neben dem Eingang. Er schloss die Türen und drückte auf den grünen Startknopf. Sie hörten das Wimmern eines Motors, die Gondel machte einen Satz nach vorn und schleifte aus dem Dock, bevor sie steil in die Höhe stieg und dem ersten Mast entgegenschwebte.
    Erst jetzt strengten die jungen Leute ihre Phantasie an und stellten sich die Frage, wer oder was sie auf dem Gipfel überhaupt erwartete. Angst drängte sich zwischen sie wie ein fünfter, unsichtbarer Fahrgast in der Gondel, und sie vermieden es, während sie reglos dastanden, einander anzusehen. Keiner sagte ein Wort, und Bertrands Finger schlossen sich fester um das Metall seiner Behelfswaffe.
    Sophie brach das Schweigen: «Seht mal, da ist ein Licht.» Sie drückte das Gesicht an das vordere Fenster der Kabine und spähte zum Gipfel hinauf. Ein blasser Schimmer drang durch den Schnee und kam von oben mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu.
    Kirsty legte die Hände um die Augen, um das helle Kabinenlicht abzuschirmen, und spähte angestrengt hinaus. «Es ist die andere Gondel. Sie kommt uns entgegen.»
    «Mist», murmelte Bertrand und warf einen prüfenden Blick auf das Bedienfeld. Doch es schien keinen Schalter zu geben, um die Gondel mitten in der Fahrt anzuhalten. Alle stürzten ans Seitenfenster und legten die Hände ans Gesicht, um die andere Kabine zu sehen, die sie jeden Moment erreichen würde. Als sie fast auf gleicher Höhe waren, schienen sie wie durch einen Sog plötzlich schneller zu schweben. Das
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