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Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal
Autoren: Ken Follett
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Charles Lampeth war in erster Linie Geschäftsmann - und erst in zweiter Kunstliebhaber.
    Er stieg die breite Treppe zur ersten Etage empor und erblickte in der Glasscheibe eines Bilderrahmens sein Spiegelbild. Der Knoten seiner Krawatte war klein, sein Hemdkragen frisch gestärkt, sein Savile-Row-Anzug saß tadellos. Schade, daß er übergewichtig war; trotzdem machte er für sein Alter eine ausgezeichnete Figur. Unwillkürlich straffte er die Schultern.
    Er machte sich eine weitere Gedankennotiz: In jenen Bilderrahmen gehörte nichtreflektierendes Glas. Unter der Scheibe befand sich eine Federzeichnung - wer immer das arrangiert haben mochte, hatte einen Fehler gemacht.
    Er betrat sein Büro, wo er seinen Regenschirm an den Kleiderständer hängte. Dann ging er zum Fenster und blickte hinaus auf die Regent Street und steckte sich eine Zigarre an, die erste an diesem Tag. Er beobachtete den Verkehr und stellte eine Liste all dessen zusammen, was es für ihn bis zum ersten Gin Tonic um fünf Uhr nachmittags zu erledigen galt.
    Er drehte sich um, als Stephen Willow, sein Juniorpartner, eintrat. »Morgen, Willow«, sagte er und setzte sich an seinen Schreibtisch.
    Willow erwiderte: »Morgen, Lampeth.« Trotz ihrer nunmehr sechs- oder siebenjährigen Zusammenarbeit sprachen sie einander noch immer mit dem Nachnamen an. Lampeth war an einer Zusammenarbeit sehr interessiert gewesen, um geschäftlich zu expandieren: Willow hatte eine eigene kleine Galerie aufbauen können, denn er pflegte intensive Beziehungen zu einem halben Dutzend junger Künstler, die sich sämtlich als »Treffer« erwiesen. Lampeth hatte seinerseits damals das Gefühl gehabt, daß seine Belgrave Art Gallery ein wenig hinter dem Markt her hinkte, und die Verbindung mit Willow bot ihm die Chance, rasch mit der zeitgenössischen Szene gleichzuziehen. Die Partnerschaft klappte ausgezeichnet. Obwohl zwischen den beiden Männern ein Altersunterschied von zehn oder fünfzehn Jahren bestand, besaßen beide ganz ähnliche Qualitäten: in ihrem Kunstgeschmack ebenso wie in ihrem Geschäftssinn.
    Der jüngere Mann legte einen Hefter auf den Tisch und lehnte die angebotene Zigarre ab. »Wir müssen über Peter Usher sprechen«, sagte er.
    »Ah, ja. Irgendwas stimmt da nicht.«
    »Wir übernahmen ihn, als die Sixty-Nine Gallery pleite ging«, begann Willow. »Er hatte sich dort ein Jahr lang gut verkauft - pro Bild eintausend. Die meisten anderen erzielten mit ihren Bildern höchstens fünfhundert. Seit er zu uns kam, hat er nur ein paar verkauft.«
    »In welche Preiskategorie haben wir ihn getan?«
    »In die gleiche, in der er bei der Sixty-Nine war.«
    »Die haben vielleicht mit Tricks gearbeitet«, sagte Lampeth.
    »Das fürchte ich auch. Eine verdächtig hohe Anzahl von Bildern erschien, kurz nachdem man sie verkauft hatte, wieder auf dem Markt.«
    Lampeth nickte. Es war in der Kunstwelt ein offenes Geheimnis, daß Händler mitunter ihre eigenen Bilder kauften, um die Nachfrage nach einem jungen Künstler zu stimulieren.
    Lampeth sagte: »Im übrigen glaube ich, daß wir sowieso nicht die richtige Galerie für Usher sind.« Er sah, wie sein Partner die Augenbrauen hob, und fügte hinzu: »Soll keine Kritik sein, Willow - damals sah's aus, als könnte man ihn groß rausbringen. Aber er ist nun mal ziemlich avantgardistisch, und wahrscheinlich hat ihm die Verbindung mit einer Galerie wie der unseren eher geschadet. Doch ist das jetzt alles Vergangenheit. Ich halte ihn nach wie vor für einen bemerkenswert guten jungen Maler, und wir sind es ihm schuldig, uns für ihn einzusetzen.«
    Willow entschied sich im nachhinein doch noch für eine Zigarre, die er dem Kästchen auf Lampeths Schreibtisch entnahm. »Ja, das entspricht meinen eigenen Überlegungen. Ich habe ihn ein bißchen wegen einer möglichen Ausstellung ausgehorcht: Er sagte, er verfüge über genügend neue Arbeiten, um eine zu veranstalten.«
    »Gut. Im New Room vielleicht?«
    Die Galerie war zu groß, um sie ausschließlich dem Werk eines einzelnen lebenden Künstlers verfügbar zu machen; deshalb wurden Ein-Mann-Ausstellungen in kleineren Galerien oder nur in einem Teil der großen Galerie in der Regent Street veranstaltet.
    »Ideal.«
    Lampeth grübelte: »Ich frage mich allerdings nach wie vor, ob wir ihm nicht einen Gefallen erweisen würden, wenn wir ihn woanders hingehen ließen.«
    »Vielleicht, nur würde das die Öffentlichkeit falsch verstehen.«
    »Das stimmt allerdings.«
    »Soll ich ihm
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