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Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal
Autoren: Ken Follett
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langen Nase. »Wie hoch schätzt du den derzeitigen Wert meiner Sammlung?«
    »Tja, mein Gott.« Lampeth krauste die Stirn und zog seine schwarzen Augenbrauen zusammen. »Das käme nicht zuletzt auf den Verkaufsmodus an. Für eine genaue Wertbestimmung würden Experten eine Woche brauchen.«
    »Ein ungefährer Schätzwert würde mir für den Augenblick genügen. Du kennst die Bilder - hast die meisten ja selbst für mich erworben.«
    »Gewiß.« Lampeth ließ die zwanzig oder dreißig Gemälde, die sich im Haus befanden, vor seinem inneren Auge Revue passieren - taxierte sie grob, kalkulierte den ungefähren Gesamtbetrag.
    »Müßte sich etwa auf eine Million Pfund belaufen«, sagte er schließlich.
    Cardwell nickte wieder. »Das entspricht der Summe, die ich selbst veranschlagt habe«, sagte er. »Charlie, ich brauche eine Million Pfund.«
    »Guter Gott!« Lampeth setzte sich kerzengerade auf. »Du denkst doch nicht im Ernst daran, deine Sammlung zu verkaufen.«
    »Ich fürchte, daß mir keine andere Wahl bleibt«, sagte Cardwell traurig. »Ich hatte gehofft, die Kollektion der Öffentlichkeit hinterlassen zu können, doch die Realitäten des Geschäftslebens haben nun mal Vorrang. Die Firma befindet sich in einer sehr angespannten Lage und benötigt innerhalb der nächsten zwölf Monate eine sehr kräftige Kapitalspritze, wenn sie nicht in Konkurs gehen soll. Du weißt ja, daß ich seit Jahren Teile unseres Grundbesitzes verkauft habe, um flüssig zu bleiben.« Er hob sein Brandyglas und trank einen Schluck.
    »Die jungen Haudegen sitzen mir jetzt unmittelbar im Nacken«, fuhr er fort. »Neue Besen fegen durch die Finanzwelt. Unsere Methoden sind überholt. Ich werde ausscheiden, sobald das Unternehmen wieder so erstarkt ist, daß die Führung in andere Hände gelegt werden kann. Soll sich doch einer der jungen Recken seine Sporen verdienen.«
    Der Unterton tiefer Resignation, den er aus diesen Worten heraushörte, erzürnte Lampeth. »Junge Recken«, sagte er verächtlich, »deren Zeit wird schon noch kommen.«
    Cardwell lachte. »Aber, aber, Charlie. Weißt du, mein Vater war seinerzeit entsetzt, als ich ihm meine Ansicht verkündete, ›in die City zu gehen‹. Ich erinnere mich, wie er zu mir sagte: ›Aber du wirst doch den Titel erben! ‹ - als sei das für mich eine Art Tabu, persönlich Geldgeschäfte zu machen. Und du -was hat dein Vater gesagt, als du eine Kunstgalerie eröffnet hast?«
    Lampeth ließ ein zögerndes Lächeln sehen. »Er fand, für den Sohn eines Soldaten sei das eine abgeschmackte Beschäftigung.«
    »Du siehst also, daß die Welt den jungen Recken gehört. Verkaufe meine Bilder für mich, Charlie.«
    »Um Höchstpreise zu erzielen, müßte man die Gemälde als Einzelstücke verkaufen.«
    »Du bist der Experte. Irgendwelche Sentimentalitäten meinerseits wären verfehlt.«
    »Einige sollte man jedoch unbedingt für eine Ausstellung beisammenhalten. Mal sehen: ein Renoir, zwei Degas, ein paar Pisarros, drei Modiglianis ... muß mir das mal durch den Kopf gehen lassen. Der Cezanne gehört natürlich auf eine Auktion.«
    Cardwell erhob sich, ein großer Mann von fast einsneunzig. »Nun, halten wir uns nicht länger mit der Leiche auf. Stoßen wir lieber zu den Ladys, wie?«
    Die Belgrave Art Gallery machte den Eindruck eines gehobenen Provinzmuseums. Die kirchenähnliche Stille schien mit Händen greifbar, als Lampeth eintrat und mit seinen schwarzen Schuhen lautlos über den einfachen olivgrünen Teppich schritt. Um zehn Uhr hatte die Galerie gerade erst geöffnet, und Kunden waren noch nicht zu sehen. Dennoch hielten sich drei Assistenten in schwarzer, gestreifter Kleidung im Empfangsbereich auf.
    Lampeth nickte ihnen zu und schritt durch die zu ebener Erde gelegene Galerie, wobei er sein kundiges Auge über die Bilder an den Wänden gleiten ließ. Unpassenderweise hatte man einen modernen Abstrakten neben einen Primitiven gehängt, und Lampeth machte sich eine Gedankennotiz: Das mußte schleunigst geändert werden. Preise fanden sich an den Bildern nicht - eine wohlüberlegte Taktik. Auf diese Weise wurde möglichen Käufern das Gefühl vermittelt, bei der bloßen Erwähnung von Geld würden die elegant gekleideten Assistenten mißbilligend die Stirn runzeln. Wer hierherkam - diese Suggestion drängte sich der Kundschaft automatisch auf -, für den war Geld ein ebenso untergeordnetes Detail wie das Datum auf dem Scheck. Folglich gaben die Leute mehr aus, als sie eigentlich wollten.
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