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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann
Autoren: Heinz Sobota
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auf dem Polster.
     
    Geräusche klopfen beharrlich. Aufgewacht, ist es Geplätscher im Badezimmer. Von der Straße her klingt Stadtlärm. Das Mädchen kommt nackt aus dem Bad. Ihr Körper fließt kühl in meine Schlafwärme, die Vereinigung ist kurz, wild. Ihre Zähne wühlen in meinen Lippen. Sie liegt an meinem Gesicht. Ihre Hände unruhig auf meiner Haut. Ich streife ihre Schulterblätter entlang, ziehe sie eng an mich. Das ist nicht mehr die Barvisage; der Mund groß, weich, sehr rot. Sanft schiebe ich sie von mir. »Affe, kleiner … ich habe Hunger, besorge uns ein riesiges Frühstück«, sage ich. Sie rollt zur Seite, greift zum Hörer. Beim Rasieren steht sie hinter mir, küßt meinen Rücken. Ihr Körper ist eng an mich gepreßt, dann jage ich sie hinaus, manchmal scheiße ich gerne solo.
    »Mußt du gehen?« frage ich. Ihr Kopf ist unten. Sie taucht ein Croissant in den Kaffee.
    »Nein, ich muß nicht gehen, nur wenn du mich wegschickst«, sagt sie leise.
    »Was sagt da dein Mac dazu?« frage ich.
    Sie hat sicher einen Zuhälter. Auf diesem Platz, in der Bar, kann sie nur arbeiten, wenn sie einen Rückhalt hat … in dieser Gegend, um die Place d’Opera, regieren die Korsen und Sizilianer …
    »Ich habe keinen Zuhälter«, sagt sie und sieht mich voll an. Warum sie wohl lügt? Möchte sie mehr Geld verdienen, sie hat den Geldpacken mit heißen Augen angesehen.
    »Du lügst … warum lügst du?« sage ich.
    »Ich lüge nicht, ich habe keinen Maquerot«, sagt sie wieder.
    Sie greift nach einer Zigarette, und dann zündet sie auch für mich eine an.
    »Ich hoffe, du hast nicht gelogen«, sage ich.
    Sie schüttelt den Kopf, trinkt. Was soll dieses Lügen? Hm, Huren lügen, von Amsterdam bis New York, von Tanger bis Tokio, also warum diese nicht? Ihre Augen sind klar und ruhig.
    »Ich habe Zeit, möchte ans Meer«, sage ich.
    »Bringst du mich zu meinem Hotel, ich hole nur mein Badezeug«, sagt sie.
    Wir ziehen uns an, auf der Straße, vor meinem Auto, bleibt sie überrascht stehen.
    »Du bist Österreicher?« sagt sie.
    Im Wagen nimmt sie meine Hand vom Lenkrad, legt sie gegen ihre Wange, dann sagt sie mir den Weg. Ihr Hotel ist nahe. Ich warte im Auto. Nach wenigen Minuten kommt sie, hängender Kopf, Schultern gesenkt. Sie ist allein. Ich stecke die Pistole wieder in die Türtasche zurück. Nur zur Vorsicht – falls der Mac angebraust wäre –, wegen des verschwundenen Geldes.
    »Warum hast du mir das Geld weggenommen?« sagt sie.
    »Ich zahle nie fürs Ficken, auch nicht, wenn eine Hure so nett ist wie du«, sage ich.
    Schmale Hände liegen schlaff im Schoß. Sie trägt ein kurzes, weißes Kleid, weiße Sandalen mit Plateausohlen. Eine gelbe Haarflut und Sonnenbrille verbergen das Gesicht. Ich fahre an St. Jean vorüber zur Corniche J. F. Kennedy. Die Straße klebt zwischen Felsen und dem Meer. Das Chateau d’If in der Mitte der Bucht. Mauern, Wälle und Türme schimmern golden über dem blaugrünen Wasser. Weiß leuchtend dahinter, die Berge von Estaque.
    In breiten Windungen zieht sich die Fahrbahn hinunter zum Strand. Haufenweise liegt Dreck – Glasscherben, Papierfetzen und leere Bierdosen – herum. Über allem hängt ein säuerlicher Dunst. Die etwa halbmeterhohen Wellen, die da in grauer Gischt zerlaufen, sind trübe und wenig einladend.
    »Fahren wir zum Kap«, sage ich. Sie nickt nur. Am Point Rouge vorbei, fahre ich die Serpentinen zum Kap hoch. An einigen Zelten vorüber gehen wir auf nacktem Fels zum Wasser hinunter. Hier draußen ist der Seegang doch merklich höher, das Wasser ist kristallklar. Zur Sonne hin blendet ein breiter Streifen grelles Silber. In eine glatte Mulde lege ich die Decke, dann ziehe ich mich aus. Das Mädchen kauert am Deckenrand. Sie sieht zum Kap hinüber. Der schwarze Felsen liegt einen Steinwurf weit. Ich klettere ein Stück höher. Eine schmale Felskanzel hängt über das Wasser. Ich springe weit hinaus in den blendend türkisen Spiegel. Das Wasser ist kalt. Ich öffne die Augen – durchsichtig bis ins Dämmer der Tiefe hin – seitlich, graugrün bis tiefschwarz der Felsen. Beim Auftauchen sehe ich das Mädchen winken. Ich versuche, gegen die Strömung zu schwimmen. Der eisige Strom vom offenen Wasser her drückt mich nahe an das steinige Ufer. Ich schwimme einen weiten Bogen ins freie Wasser, dann in die Strömung. Nahe an der dunklen, grobporigen Wand zieht mich der Sog vorbei, einer glatten Felszunge entgegen. Der Stein ist scharfkantig. Ich ziehe mich hoch,
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