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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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hässlich, florierte, und vor dem Arche mussten die Strolche Schlange stehen. Einige Europäerinnen kamen mit dem festen Vorsatz her, Geld zu verdienen und für die Rückkehr in ihre Heimat zu sparen, doch wegen der beschwerlichen Schiffsreise oder warum auch immer blieben sie am Ende da. Immer mehr Mädchen aus Europa lockte man her, schwärmte ihnen von den Wundern der Wüste und dem weißen Gold vor und davon, wie leichtdas Leben hier sei. Nicht anders erging es den Strolchen mit den Sandalen, die voller Hoffnung kamen, im Bahnhof schliefen, unter dem Blätterdach auf dem Markt oder wo auch immer, und am nächsten Morgen, mit dem ersten warmen Sonnenstrahl, sich einschrieben und verschuldeten, um mit Hacke und Schaufel in der Grube Nitratschichten herauszuhauen. Staub schluckend arbeiteten sie länger, als die Uhr Stunden hat, so hart, dass sie von der ganzen Plackerei Blasen an den Händen und am Rücken bekamen. Kerle, zäh und rau wie grüner Pfeffer. Ich kannte Kumpel, die sich Salpetersäcke von hundertzwanzig Kilo auf den Buckel hievten, und die, wenn sie über die Bretter zum Laderaum des Klippers rannten, sich dennoch den Luxus erlaubten, kurz stehen zu bleiben, mit den Hüften zu wackeln und einem Mädchen Kusshände zuzuwerfen. Natürlich war auch der frühzeitige Tod ein Riesenproblem. Darüber solltest du auch schreiben, Benito. Denn der Geruch der Kumpel haftet auch an dir, vergiss das nicht. Wenn du willst, kannst du es auch ganz unauffällig erwähnen, aber verschweig es nicht. Manchmal sind die Dinge, so wie wir sie in Erinnerung haben, einfach und wahr, obwohl sie sich vielleicht nicht in der Weise zugetragen haben. Du wandelst immer im Bewusstsein deiner wahren Eltern, Benito. Die Erinnerung ist eine Wunde, die mit der Naht deiner Worte verschlossen wird, doch die Narbe wird, wie du weißt, nie verblassen. Das, was man meiner Tita und Carmelo angetan hat, ist nicht mehr zu ändern, genauso wenig, wie die Tatsache, dassandere dich mit Ansichten erzogen haben, die ich nicht teile. All das schlängelt sich durch diese Geschichte und vermischt sich mit Dingen, die ich nicht deuten konnte, als sie geschahen. Doch was wäre unser Leben ohne den Zufall, Benito! Hätte Sofanor der Inglesa das Geheimnis der Lorenzona anvertraut, wäre vielleicht alles anders verlaufen. Gleiches gilt für die Geburt deiner Mutter auf der Natal Star und die Absicht der Inglesa, in die Heimat zurückzukehren.
    Dieser verfluchte Tanz wird mich am Ende noch aus der Bahn werfen. Wenn ich die Geister um mich herum tanzen sehe, frage ich mich, was zum Teufel ich inmitten all dieser Toten zu suchen habe. Für mich war der Tod immer eine ernste Angelegenheit. Der Triumph der Verlierer erstickt mich ebenso wie der durch die Büsche pfeifende Wind. Ehrlich gestanden bin ich mir nicht sicher, ob ich in der Welt der Trunkenbolde bleiben oder mich endgültig in die des Wahnsinns, der Massakrierten zurückziehen soll, die sich im Rhythmus der Becken und Trompeten aufrichten.
    Wenn sich im Morgengrauen die Wolken auf Paitanás herabsenkten, drohten die Leute zu explodieren oder zusammenzubrechen. Es zog sie zum Schiff der Wollust, des Alkohols – »ich saufe, du säufst, er säuft, so soll es sein«, trällerten sie –, denn man musste das Ungeheuerliche, an dem wir alle Schuld hatten, in der Wüste begraben. Darauf stießen die Toten an, auf die Fata Morgana einer perfekten Zukunft.
    »Hoch die Tassen auf das Vaterland, auf Wein, Weib und Gesang!«, rief mir einer zu. »Weißt du, Kumpel«, unterbrach ich ihn, »bevor wir das Trinkerlied weitersingen, mach dich auf die Suche nach diesem Geier, der dir das Auge ausgehackt hat, denn du siehst nicht, wo du langgehst und wirst jeden Moment auf der Nase landen.« Doch sein Auge, sein einziges, mit dem er mich anglotzte, schien unerreichbar. »Wenn mein Gesicht dir nicht passt«, sagte mir der Säufer, »mach du dich doch selbst auf die Suche nach dem Köter, der dich ausgebuddelt und deine Eingeweide gefressen hat«, und dann zog er mit dem gleichen Gelächter ab wie Sofanor, als seien all das Eingebungen eines Irren.
    Als man aus Santiago López-Cuervo II die Ergebnisse mitteilte, erfuhr er, dass die halbleere Bierflasche Schierling enthielt, dieses Kraut, das einen unangenehmen Uringeruch verströmt. Die Inglesa wies keinerlei Spuren von Gewalt auf, abgesehen von den blutverschmierten Handflächen, wahrscheinlich in Folge eines krampfartigen Aufbäumens vor dem Tod. Sie war nicht
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