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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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Junge war. Eine Stunde, nachdem du geboren warst, kam ein Arzt in das Lager und gab ihr eine Beruhigungsspritze. Und während sie benommen dort lag, erschien Apablaza bei ihr – er hatte gesehen, wie du in einem Helikopter das Arealverlassen hattest, Benito. Auch Pater Remigio fand sich auf Befehl seiner Kirche und des Sohns des Satans in der Kaserne ein, um alle Gefangenen zu segnen, die erschossen werden sollten. Bis die erdrückende Masse der Opfer ihn zwang, vor dieser Aufgabe zu kapitulieren. Der Flor sagte er, sie solle sich keine Sorgen machen, höchstwahrscheinlich werde man Tita und Carmelo freilassen. Dabei wusste jeder, dass das junge Paar ihm ein Dorn im Auge war und dass er sich vor den Bonzen im Gesellschaftsklub abschätzig über sie geäußert hatte. Ich bin überzeugt, wenn alle, denen bekannt war, was er gegen die beiden vorgebracht hatte, Jahre später die Zivilcourage besessen hätten, gegen ihn auszusagen, wäre seine Ehrbarkeit vor Gericht angezweifelt worden.
    Am Tag nach der Entbindung erwachte die Tita mit Schmerzen und wollte ihr Kind sehen. Als man es ihr verwehrte, weinte sie, protestierte aber nicht, denn sie war sich sicher, dass sie und ihr Baby bald freikommen würden. Erst als man sie in einen anderen Raum verlegte und ihr, als sie gerade wieder auf den Beinen stehen konnte, befahl, sich anzukleiden, verlor sie die Hoffnung, dich jemals in ihren Armen zu halten. Man verfrachtete sie gemeinsam mit anderen Häftlingen auf das Handelsschiff Maipú , das aus dem Hafen von Caldera auslief.
    Ich klammerte mich wie unzählige andere Landsleute an den Zorn, der aus Unrecht erwächst. Was konnten wir tun, verflucht, an wen uns wenden, wohin gehen? Unser Horizont war leer.
    Man verscharrte deine Mutter in der Nähe des Meeres, Benito, auf einem flachen Gelände etwas außerhalb des Dörfchens Pisagua, das nur eine einzige Straße besitzt. Sie wurde erschossen und in ein Massengrab geworfen, das man mit Kalk, Steinen und Erde zuschüttete.

Natal Star, Mai 1939
    Zwei Monate nach ihrer Niederkunft brach die Inglesa nach Paitanás auf, um Sofanor aufzuspüren. Sie war überzeugt, dass er sich ihr zu Füßen werfen würde, bereit, ihr die mehr als tausend Kilometer zu Pferd durch die Wüste bis nach Iquique zu folgen, wo zu dieser Zeit jede Menge ausländischer Schiffe einliefen.
    Nach Titas Geburt hatten einige Matrosen der Natal Star mit Erstaunen Gefühlsregungen bei der Inglesa festgestellt, die niemand, der sie kannte, je von ihr erwartet hätte. Die Mutterschaft hatte sich bei ihr offenbar mit aller Macht durchgesetzt. Auf einmal schien es ganz normal, dass ihr Tränen in die grünen Augen schossen, wenn sie ihr kleines Mädchen nur ansah. Doch dieser Zustand währte nicht lange: Kaum konnte sie wieder aufstehen, verkündete sie Ronal, sie müsse fortgehen.
    »Ich muss ein bisschen Geld besorgen, und sobald ich es habe, komme ich zurück.«
    »Willst du das kleine Mädchen etwa alleinlassen? Auf diesem Schiff voller Kerle?«
    »Ich habe keine andere Wahl. Ich tue es zu ihrem Besten«, erwiderte sie, wobei sie ihre beiden Ledertaschen packte.
    »Keinem Kind tut es gut, von seiner Mutter verlassen zu werden«, warf Ronal ein.
    »Ich habe dir doch schon gesagt, mein Plan ist es, nach England zurückzukehren. Bisher ging es nur um mich, aber jetzt, mit dem Baby, muss ich sicherstellen, dass ich gut gerüstet heimkehre.«
    »Und deine Familie?«
    »Ich habe keine Familie. Hätte ich eine, wäre ich nie nach Chile gekommen.« Das war deutlich, und obwohl es nicht stimmte, dass sie niemanden hatte, wollte sie darüber nicht reden. »Deshalb brauche ich Geld, um ohne Sorge mit dem Kind leben zu können.«
    »Du weißt ja, wenn du hier auf dem Schiff bliebest, würde es dir und dem Kind an nichts fehlen. Ich könnte ein Häuschen in der Oberstadt von Coquimbo mieten.«
    »Sprich nicht weiter, Ronal. Dein Leben ist auf der See.«
    »Und deins in der Wüste?«
    »Du weißt doch, dass wir beide immer Freunde sein werden.«
    »Und wo willst du dir das Geld holen?«
    »Ich muss es mir in Iquique besorgen.«
    Die Inglesa verstaute einige Geldreserven in der Tasche, was Ronal mit Erstaunen registrierte. Sein Blick verhehlte es nicht, und sie lächelte verschlagen, während sie eine Bluse glattstrich, die Sofanor ihr geschenkt hatte. Ronal ging zu dem Körbchen, in dem die Tita schlief, und betrachtete die Kleine nachdenklich.
    »Willst du es dir leihen?«
    »Nein, nein. Wenn er es mir nicht gibt, werde ich
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