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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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Nachmittage lang die Gräber ihrer Liebsten zu schmücken. Eines war das von Ojerosas Ehemann, das andere eine Gruft, bei der man nicht wusste, zu wem sie gehörte. Sie füllten Wasser in die Flaschen und Gefäße.
    »Wir bereiten dir ein Bad«, verkündete meine Frau.
    Es wurde ihnen zur Gewohnheit, einander zum Baden ihrer Männer einzuladen. Wieder daheim, ging die Pantomime weiter.
    »Ach, wie schrecklich, dieser Mensch!«, schimpfte die Ojerosa, während sie die Hundehaare zusammenfegte.
    »Komm, Schätzchen!«, rief Flor einen der verspielten Welpen zur Ordnung. »Lass die Tita in Ruhe!«
    Plötzlich bückte sie sich, um nach mir zu rufen. Doch der, der herbeigelaufen kam, gefiel mir nicht. Mich mit einem alten, mürrischen Hund zu vergleichen, also ehrlich! Das zimtfarbene Hundemädchen, dem sie als Einzigem erlaubte, jede Nacht am Fußende ihres Bettes zu schlafen, nannte sie Tita, meine hübsche Tita. Die Ojerosa, die zu dem Zeitpunkt schon fast bei ihr eingezogen war, schaffteschließlich auch noch ihren Kosmetikkoffer herbei und einen riesigen Spiegel, den sie in Titas Zimmer aufstellte. Ihre Manien legte sie nie ab. Sie konnte keinen schmutzigen Teller länger als fünf Minuten ertragen. Und immer noch kleisterte sie ihre Wimpern mit dieser schwarzen Paste zu, obwohl sie schon dermaßen verklumpt waren, dass sie die Augen nicht mehr problemlos auf- und zubekam. Doch anders als sie es sonst ihr Leben lang wegen jeder Bagatelle getan hatte, machte sie kein Drama, als sie den umwölkten Blick ihrer Freundin sah. Umstandslos ging sie zu Flor, die in ein Zwiegespräch mit dem vorlauten Hündchen vertieft war, schluckte ein paar Mal, um keine Träne zu vergießen, und sagte:
    »Komm Flor, sieh mal. Da ist Paolo, mein Paolín!« Dabei deutete sie auf einen unansehnlichen Hund mit ausgedünntem dunklen Fell.
    »Ja, stimmt!«, freute Flor sich. »Wie hässlich der Ärmste ist!«

Copiapó, Mai 1974
    Nach dem Vorfall in Pisagua stieß ich auf die Zeitungsausschnitte aus dem Atacameño , die ich für dich aufbewahrt habe, damit sie dir ebenso wie die Geschichten von Sofanor und der Inglesa zufällig in die Hände fielen. Ich fuhr mit dem Finger über die Liste der Namen, die sie dort veröffentlicht hatten, und als ich die Tita unter den Genannten entdeckte, bezahlte ich mein Frühstück und verließ den Markt. Es gibt Dinge, die wir niemals verwinden werden, möge noch so viel Zeit darüber hinweggehen. Ein ätzender Schweiß lief mir über den gesamten Körper und veränderte meine Hautfarbe. In einem gesonderten Artikel erwähnten sie Carmelo als einen der gefährlichsten Studentenführer, was nicht stimmte, denn er war schon seit Jahren kein Student mehr. Sie bezeichneten ihn außerdem als Mitglied einer Verbrecherbande, die auf den Schiffen im Hafen unterschlüpften, und als einen der Verantwortlichen der aufrührerischen und terroristischen MIR-Bewegung. Wenn du wüsstest, wie sie die Tagesnachrichten manipulierten, Benito, Quellen verdrehten, Dialoge und Episoden erfanden und lächerliche Tatmotive anführten, alles Dinge, die im seriösen Journalismus strengstens tabu sind. Wenn ich dir zusehe, wie dumit dem Heft unter dem Kopfkissen schläfst, bin ich erleichtert. Die Zeit der Dunkelheit zwischen uns hat eine Bresche des Schweigens geschlagen. Ich spürte deinen Ruf, nachdem du Sofanors Webley Mark gefunden hattest. Du wolltest endlich wissen, welche Geschichte du mit dir herumschleppst. Und als du den angelaufenen Stahl der Waffe mit der dir eigenen Geduld blankpoliertest, konnte ich dich finden und eilte zu dir, damit du endlich davon erfuhrst. Die Geographie der drei Generationen wird einen Großteil deines Buches füllen, doch erzähle niemandem, dass ich dir diese Dinge im Traum eingeflüstert habe, sie würden dich als kauzigen Spinner abtun, denn sich in die Erinnerungen der Toten einzuschleichen, ist beim Sohn des Satans unerwünscht. Ich würde dich ja gerne belügen, wie meine Frau die Tita belog, doch wer gesehen hat, wie das Arche Noah im Sand von Paitanás versank, weiß, wie flüchtig die Momente des Glücks sind. Wer Inhaftierung und Folterung durchgemacht und das Böse erlebt hat, vergisst nie. Deshalb ist es auch sinnlos, wenn die Toten die Erde beiseiteschieben und sich aufrichten, sobald sie die Trommeln und Trompeten hören – der trostlose Anblick unseres Hauses und das Gefühl ständiger Gefahr bleiben unverändert bestehen.
    Wenn du zwei und zwei zusammenzählst, findest du sicher
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