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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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heraus, wer deine Eltern und deine Großeltern waren. Meine liebe Flor konnte es kaum erwarten, dass du auf die Welt kamst, und hat dich dann doch nie kennengelernt.Aber ich bin zufrieden, denn trotz der Familie, die dich aufgezogen hat, scheinst du einiges von Flor mitbekommen zu haben. Immerhin hältst du vier Hunde im Haus! Und das Wichtigste ist, dass du lebst.
    Es ist mir nicht leichtgefallen, mit deinem Vater zu reden. Obwohl er es nie offen gesagt hat, wusste ich, dass unser Schiff in seinen Augen eine für den Menschen verderbliche Lasterhöhle war. Er wetterte gegen die Heuchelei der Mächtigen, vor allem der Kirche, aber seine politischen Aktivitäten im Rahmen der MIR behielt er für sich. Wenn er zum Essen heimkam, nahm er Platz und öffnete den Mund nur zur Nahrungsaufnahme. Sein Schweigen machte mich immer nervös. Carmelo stand am Fenster und blickte zum Himmel hinauf, als meditierte er oder kommunizierte mit dem Jenseits, und irgendwann fragte ich die Tita, ob unsere Anwesenheit ihn störe, woraufhin sie mir einen Klaps auf den Hinterkopf gab. Dann beugte sie sich ganz nah an mein Ohr und sagte, sicher, sicher, Carmelo war gestern Abend im Arche und das hat ihm die Sprache verschlagen. Wir haben schallend gelacht. Aber wie ich bereits sagte, irgendetwas muss ihn beschäftigt haben, denn innerlich war dein Vater von einer Angst getrieben, die ihn nie losließ. Es heißt, er habe geraucht, ohne die Zigarette je aus der Hand zu legen, während die Tita Pläne schmiedete, um die Welt zu verbessern. Aber alles, was ich dir nicht erzählen kann, wirst du allein herausfinden, denn einen der letzten Zeugen, der sie lebend gesehen hat, ist ganz in deiner Nähe. Die Erinnerungen verblassennicht, nur das ständige Gefühl der Angst, der Worte, die du jetzt, verdammt noch mal, nach eigenem Gutdünken in dein Heft schreiben solltest. Mit sechzig Kinder zu bekommen, ist zwar kein Ding der Unmöglichkeit, doch in diesem Fall war es nicht so, Benito. Du weißt, dass López-Cuervo II nicht dein Vater ist.

Paitanás, 19. September 1939
    Der Wirbelwind, der alles aufwühlt und die Spuren des Weges verwischt, vermengt sich mit der Hitze der Erde und schließt sich der Sonne an, die einem mit ihrer erbarmungslosen Glut das Hirn versengt. Er lässt eine Staubschicht aufsteigen, die sich auch auf meine Kleidung legt. Am ersten Tag war alles neu, ich wanderte unbemerkt umher, zögernd setzte ich einen Schritt vor den anderen unter der unwiderstehlichen Schönheit des Sternenhimmels über unserer Wüste. In gewisser Weise war das auch angenehm, denn ich entdeckte eine Menge Dinge, die deinen Roman nun ausschmücken könnten: ein Gestell ähnlich dem Fischkarren, den ich als Junge besaß, alte Matrosenschuhe, allerlei Arbeitsgeräte, die nach der kürzlich erfolgten Schließung einer weiteren Mine liegengeblieben waren. Am zweiten Tag meiner Wanderung verspürte ich trotz meiner gestaltlosen Erscheinung Anzeichen von Schwindel und Müdigkeit. Ich weiß, dass du neugierig bist zu erfahren, wie es auf der anderen Seite zugeht. Ich kann dir nur sagen, Benito, dass jeder Geist an den Ort seiner Herkunft zurückkehrt. Das ist allgemein üblich. Der Tod ist die Luft, die zwischen den Schwingen der Geier hindurchgleitet, eine schwindelfreie Art derFortbewegung, ein Flug über die Sonne und die Erinnerung hinweg. Obwohl nichts bleibt, entsteigen einige Kumpel immer noch schwankend der Erde und blicken voller Staunen auf den Kupferglanz der Trompeten. Unbewusst, als hätten sie einen Kater, ahmen sie den Tanz nach, der ihre Sinne fesselt, erleben dieses wiederholte Fest, das Fest ihres eigenen Todes, und manch einer verfängt sich im kreisenden Wirbelwind und versinkt wieder im Sandboden, das Gesicht vom roten Schein des Fegefeuers erleuchtet, bis die Musik von neuem ruft.
    Ich komme noch einmal auf Sofanor zu sprechen, der wie ein Wahnsinniger hinter meinem Wecker her war, und das nur, weil der zwei Glocken hatte, die auch den Taubsten unter den Tauben geweckt hätten. Die Ojerosa jedenfalls hatte er gründlich aufgeschreckt. Als López-Cuervo II sie verhörte, gab sie zu Protokoll, das Paar habe sich ohne Begleitung einer dritten Person in ihrer Pension aufgehalten. Das Pferd der Lorenzona habe sie ebenfalls nicht gesehen – anders als später behauptet wurde –, überhaupt sei ihr nichts Verdächtiges aufgefallen. Tatsächlich hätten Sofanor und die Inglesa einen ganzen Tag lang das Chanchoquín nicht verlassen. Der Lärm des
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