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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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Prunkstücks. Um die Pokale ihres rasierten Pudels im Tabernakel aufzupflanzen? Wo Geld keine Rolle spielt, wird die Welt entweiht.
    Geld hat für Otto Weinstadler allerdings schon eine Rolle gespielt, wie der eines Tages mit seinem Spieltisch aus dem früheren 19. Jahrhundert im Stil Ludwigs XV. in Willibald Adrians Werkstatt hereinspaziert ist. Die Eingangsglocke hat geläutet, der Metzger hat den Weinstadler gesehen und gewusst, wie der Hase läuft. Das sind arme Schweine, die ihre Heiligtümer verschachern müssen, nur um zu Geld zu kommen. Otto Weinstadler ist seiner Pensionierung freudvoll in die Arme gelaufen, nur die Pensionierung nicht ihm.
    Was der Staat einem Hackler im Ruhestand in die Hände drückt, lässt den Ruhestand dieser Berufsgruppe gar nicht zu. Nur hat halt der Weinstadler schon zu viel gehackelt, und das zu schwer, um auch noch in der Pension pfuschen gehen zu können.
    Diese Kombination ergab nun die perfekte Konstellation, um mit dem Spielen anzufangen: Automaten und Sportwetten, Glücksspiel also von der Sorte, wo man auch als Armutschkerl ins Lokal darf. Und weil die Hoffnung so lange neben all den anderen Seuchen in der Büchse der Pandora vor sich hinschmachten musste, sind ihr klarerweise auch ein paar Krankheitskeime zugeflogen, nichts unmittelbar Lebensbedrohliches, zumindest vordergründig. Denn hintergründig ist die infizierte Hoffnung, auch genannt Spielsucht, schon mit dem Sargdeckel freundschaftlich per du. Schlecht hat er ausgeschaut, der Weinstadler, und nachdem er beim Metzger sein Leid abgeladen hatte, mit glasigen Augen, gefolgt von diesem einzigartigen Spieltisch, einem Familienerbstück inklusive der dazugehörigen vier Sessel, war dem Willibald Adrian sofort klar, was zu tun ist. Er hat dem Otto Weinstadler natürlich nicht dieses Unikat abgeluchst, der hätte jeden noch so geringen Betrag genommen, sondern ihm ein anderes Angebot unterbreitet:
    „Ich bring Ihnen diese Raritäten auf Vordermann, und wenn Sie dann noch wollen, verkauf ich alles für Sie, da gibt es genug, die dafür einiges springen lassen, und Sie, Herr Weinstadler, Sie lassen sich helfen. Und wenn Ihnen geholfen ist, werden Ihnen die, na ich schätze mal, 15 000 bis 20 000 Euro auch noch helfen, die dieses Einzelstück sicher einbringt.
    Sie müssen sich halt wirklich helfen lassen, sonst bleibt das Tischerl hier stehen!“
    Zum Zweck der Hilfe hat ihm der Metzger noch die Nummer eines Paartherapeuten, des ehemaligen Mitschülers Gerhard Dörflinger, unter die Nase gerieben, denn irgendetwas musste er ja vorschlagen und Psychiater kennt er sonst keinen. Abgesehen davon, ist Paartherapie im Falle der versteckten Schizophrenie Spielsüchtiger ja nicht gerade die schlechteste Lösung.
    Na, der hat Augen gemacht, der Otto Weinstadler, genauso wie der Tabernakelschrank aus dem hinteren Teil der Werkstatt, und die Joachim, wenn sie davon wüsste, weil dem Schrank war sofort klar, das Erste, was der Restaurator arbeitstechnisch angehen wird, ist der Spieltisch.
    Für Möbelzwangsenteignung kann man sich auch plausible Gründe suchen.
    So steht er also vor der Schachbretttischfläche, der Metzger, bewundert die kunstvollen Einlegearbeiten aus Messing und Schildpatt, spürt zwar aus dem Hintergrund den psychologischen Druck des Tabernakelschrankgerippes und beginnt, sich vorsichtig der herben Kratzer auf der Spielfläche anzunehmen, schon ein wenig mit einem guten Gefühl in der Wohltäterregion des ansonsten vorsichtigen Herzens ausgestattet.
    Was die Djurkovic betrifft, hält das allerdings nicht, dieses gute Gefühl, und zum Rätsel über den heute noch nicht stattgefundenen Danjela-Anruf gesellt sich die Frage, ob er ihr gestern irrtümlich nicht doch auch so einen herben Kratzer zugefügt haben könnte. Da fehlt ihm allerdings noch ein wenig das Werkzeug, dem Metzger, wenn es sich um das menschliche Furnier handelt, an dem eine Schramme zu beseitigen wäre, vor allem eine von ihm selbst zugefügte. Zuerst auf Biegen und Brechen den eigenen Kopf durchsetzen wollen und dann sofortige Absolution erbitten, jaja, auch der Metzger ist ein Mann.
    Wie dann endlich das Telefon ein Lebenszeichen von sich gibt, stürmt der Willibald Adrian hoffnungsvoll zum Apparat und hat statt des täglichen Djurkovic-Vormittagsanrufs den Eduard Pospischill am Apparat:
    „Metzger, du kleiner Betrüger!“, begrüßt ihn der zum Freund gewordene Kommissar, „jetzt ignorierst du seit Wochen das Angebot, gemeinsam mit mir auf
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