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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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hereinspaziert, sitzt sie schon fertig angezogen im Besuchersessel, wippt mit den Füßen und begrüßt ihn mit den Worten: „Nachhause! Jetzt es geht nachhause!“
    Dann erlebt eine Privatklinik samt ihren gut situierten Patienten, dass nichts in der Welt mehr Reichtum bietet als der wohlwollend angebotene Arm einer liebenden Person.
    Lächelnd hängt sich die Danjela ein.

61
    Der Buschmann schlägt mithilfe seiner Machete mit heftigen Armbewegungen eine Spur durch das dichte Blattwerk. Mit Überzeugung, aber ohne eine Ahnung, was hinter der nächsten Astgabel wartet.
    Unsereins ist mit asphaltierten Straßen, geregelten Kreuzungen und Haftpflichtversicherungen versorgt und zaudert bei jedem kleinen Schritt ins Ungewisse, als ginge es ums Leben. Da muss schon auf den geebneten Wegen aus allen Himmelsrichtungen eine Legion schicksalhafter, lebensbedrohlicher Dampfwalzen à la Krankheit, Konkurs und Katastrophen anderer Art daherrollen, damit so ein selbstverliebt dahintrottender Erdenbürger auf die Idee kommt, auf seinem Weg auch springen zu können.
    Meistens wird denen, die den Sprung wagen, vorgehalten, sie hätten einen Sprung in der Schüssel. Nur wehe, sie landen wohlbehalten auf einer anderen Ebene, dann springen die ehemaligen Nörgler, Miesmacher und Besserwisser mit gierig ausgestreckten Klauen hinterher.

    Was seine eigene Zukunft betrifft, hat der Metzger nach all den schweren vergangenen Wochen beschlossen, zur Machete zu wechseln, um auf eine andere Ebene zu springen.
    Sein Bettgestell hat er rausgeworfen und durch ein breiteres ersetzt, die große Bodenstanduhr aus dem Wohnzimmer entfernt, damit dort ein ausgepolsterter Rattankorb Platz hat, und in seinem Kleiderschrank wurde dank einer gründlichen Ausmusterung, der auch der Hochzeitsanzug seines Vaters zum Opfer fiel, eine ganze Kastenhälfte frei.
    Danjela Djurkovic sprach bisher, während der gesamten Taxifahrt vom Spital nachhause, kein Wort, ihren Kopf an Willibalds Schulter gelehnt.
    Wie nun allerdings der Wagen, ohne den Hauch einer Geschwindigkeitsreduktion an der Schule vorbeifährt, reißt es sie hoch.
    „Moment! Ist nix gut, wenn Fahrer genauso verträumt wie Fahrgäste!“
    „Alles in Ordnung!“, meint der Metzger und drückt die Djurkovic zu sich zurück, „wir müssen noch Edgar holen!“
    Dann kehrt wieder dieses vielsagende Schweigen ein, bis das Taxi schließlich vor der Tür ins Reich des Petar Wollnar hält, jenem blitzsauberen Stiegenaufgang, der hinauf zu Willibalds Domizil führt. Keineswegs von der Idee ergriffen, auszusteigen, bleibt die Djurkovic unbekümmert sitzen.
    „Kommst du nicht mit?“, fragt der Metzger.
    „Will ich aber eigentlich schon nachhause!“, meint sie in bemüht freundlichem Tonfall.
    „Das bist du jetzt auch hier!“, antwortet ein aufgeregter Willibald, zieht ihn aus der Tasche seines Jacketts und legt ihn behutsam, mit einem sanften Druck in die Hand seiner Danjela: den Zweitschlüssel seiner Wohnung.

Epilog
    Was ist schon so ein kleiner Skandal, eine unbedeutende Schmutzkübelkampagne im Vergleich zur langjährigen Besudelung eines ehrwürdigen Postens.
    Und wer könnte über die Befähigung zur Besetzung eines solchen ruhmreichen Amtes besser urteilen als man selbst. Wenn es einem allerdings offenkundig an der honorigen Größe und an dem entsprechenden Auftreten mangelt, was bitte treibt man sich dann in solchen erlauchten Regionen herum wie ein Halbschuhtourist auf dem Mount Everest?
    Und Präsident eines angesehenen Fußballklubs ist wahrlich ein ehrwürdiger Posten. Lang genug hat er diesem industriellen Großmaul zugesehen, das zwar höchst primitiv war, aber wenigstens echt in seiner Erscheinung. Was da nun allerdings nachgekommen ist, schlägt dem Fass den Boden aus: Hier ein wenig jugendliche Dynamik, gebleichte Zähne, gebräunte Haut und maßgeschneiderte Anzüge, da ein wenig Extremisten beseitigen und vom Verein aussperren, übrigens die treusten Fans, die man sich nur wünschen kann, dort ein wenig undurchführbare Visionen äußern, und schwupps hat man sie in der Tasche. Nicht alle natürlich. Bisher war er im Kreis der Regierungsmitglieder, gut dotiert und hoch angesehen, immer dem Fußball verbunden. Einen Regierungsposten muss man sich wirklich hart erkämpfen. Von unten hinauf ist es immer verdammt schwer, doch der Weg heiligt die Mittel. Von oben hinunter allerdings, so kurz vor der Pensionierung, wird es ein Kinderspiel. Und Präsident eines Fußballklubs wollte er immer
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