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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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Wände ausbaut.
    »Schlosswechsel Montag früh«, schließt Petar Wollnar das Gespräch. Als würde ein Schlosswechsel jemanden, der uneingeladen in eine Wohnung will, tatsächlich von einer Visite abhalten können.
    »Gut, dann kann auch die Anzeige warten!«, erwidert der Metzger in Vorfreude auf sein Schlafgemach.
    Von Nachtruhe kann allerdings nicht die Rede sein. Unruhig wälzt er sich im Bett herum, schleicht aufgewühlt zur Toilette, sieht sie da bereits liegen, und amRetourweg greift er zu. Richtiggehend auffordernd, mit sorgfältig abgestreifter Hülle wartet sie auf seinem Chesterfieldsofa im Wohnzimmer, die aktuelle Lektüre seiner Herzdame. Er liest wirklich gern, der Willibald, bevorzugt Biografien und Fachliteratur, ein derartiger Schund käme ihm für gewöhnlich aber niemals in seine Mansardenwohnung, außer ein Kasten steht schief.
    »Ist Ratgeber auch gute Unterlage für Leben! Dreht sich um Perspektive, wirst du noch machen Augen!«, hat ihm seine Danjela allerdings erklärt. Seit sie dieses Werk studiert, macht er die Augen auch wirklich, denn wenn die Djurkovic neben ihm am Sofa sitzt, ist er seit Neuestem immer mit dabei: der Ratgeber mit dem Titel »Der Schlüssel zum Glück«. Und genau dieser Schlüssel liegt nun in seinen Händen.
    So dick, wie der ist, muss das wohl ein ganzer Schlüsselbund sein, geht es ihm durch den Kopf. Wenn man dann allerdings die Flut derartiger Regelwerke der Anzahl grantig durch die Gegend marschierender Erdenbürger gegenüberstellt, fragt man sich schon: Wo sind sie alle, die glücklichen Menschen?
    Müde hockt er sich im Pyjama in sein Chesterfieldsofa, öffnet einen Zweigelt Mitterjoch, schlägt den Ratgeber auf und liest. Und dann wird es spät.

    »Guten Morgen, Metzger!«
    »Pospischill?«
    So aus dem Schlaf gerissen, hatte die hastige Überwindung der Distanz zwischen Chesterfieldsofa im Wohn- und Festnetzanschluss im Vorzimmer beinah ein ausgefülltes Aufnahmeformular in der Unfallambulanz zur Folge.
    »Pospischill, ich fass es nicht! Es ist Sonntag, sechs Uhr! Hast du kein Privatleben?«
    »Na wunderbar, das fragt mich die Trixi auch immer!«
    »Es sind allein die Fragen, die uns die Antworten liefern.«
    Es sind die gierig zum Rotwein konsumierten einhundertdreiundzwanzig Seiten, die ihm gestern Abend oder eigentlich heute Nacht zum Verhängnis wurden.
    »Sag, Metzger, schläfst du gerade wieder ein, kämpfst du mit Restalkohol, oder geht’s dir nicht gut?«
    »Stimmt alles, wobei Letzteres ausschließlich an dir liegt! Außerdem wundert es mich überhaupt nicht, wenn deine Ehefrau, was dein Privatleben angeht, mit mir einer Meinung ist! Du hast keines, oder?«
    Trixi Matuschek-Pospischill wäre nach ihrer Eheschließung und der in späterer Folge damit verbundenen Arbeitsniederlegung als Kellnerin gewiss gern verliebt mit ihrem angetrauten Eduard in der eigenen Jacht um die Welt gesegelt oder Wochenende für Wochenende in ihr Landhaus an den See gefahren. In Ermangelung des Schiff leins und des Zweitwohnsitzes musste sie sich allerdings damit zufriedengeben, einmal die Woche gemeinsam mit ihrem Gatten die Tanzschule zu besuchen. Das mit der Tanzschule funktionierte recht gut, das mit dem Sichzufriedengeben weniger, was keineswegs nur am fehlenden Reichtum lag. Und weil sich dieser unerquickliche Zustand so hartnäckig hält wie ein sich selbst mehrfach zum italienischen Ministerpräsidenten ernannter Mafioso, legt der Kommissar in letzter Zeit einen ganz besonderen Diensteifer an den Tag  – und der hat ja bekanntlich vierundzwanzig Stunden. Vierundzwanzig Stunden, von denen Willibald Adrian Metzger am Wochenendefür gewöhnlich mehr als fünf im Bett verbringt.
    »Was quälst du mich, so zeitig in der Früh? Ich bekomm hier im Vorzimmer schon langsam kalte Füße!«
    »Kalt ist gut: Metzger, stell dir vor, es gibt eine Leiche!«
    »Verzeih, wenn mich diese Mitteilung aus dem Mund eines Kriminalbeamten nicht unbedingt überrascht.«
    »Jetzt sei nicht so ein Grantler. Es ist natürlich eine Leiche, die du kennst.«
    Zu lange dauert dem Restaurator die eingelegte Gesprächspause: »Muss ich jetzt raten? Ich kann mir wirklich eine bessere Unterhaltung vorstellen! Also: Was heißt, ich kenn ihn?«
    »Wer sagt ihn? Sie. Die Schlagzeugerin haben wir gefunden! Du weißt schon: bumbumm!«, tönt es vergnügt durch die Leitung.
    »Pospischill, ich nehme an, du meinst Pauke, und zum Lachen ist mir jetzt wirklich nicht. Was bitte ist an einer toten Musikerin
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