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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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aktivierbaren Stadträdern, vorbei an seinem ehemaligen Gymnasium und somit auch vorbei an der Wohnung seiner Herzdame.

    Im Erdgeschoss dieser pädagogischen Anstalt bewohnt Danjela Djurkovic ein kleines Apartment. Respektvoll ist die Beziehung zwischen der Schulwartin und dem Restaurator, was bedeutet: Die Djurkovic weiß, wie sehr ihrWillibald in gehaltvollen Happen seinen ureigenen, eingefleischten Einzelgängertrott braucht, und bevor sie ihn zu sehr belagert, lässt sie ihm diesen kleinen Imbiss. Während der Woche also drängt sie sich nicht auf, mit der Konsequenz, dass sich die Beziehung der beiden vermehrt auf die Wochenenden und somit in die vier Wände des Restaurators verlagert hat. Und sie ist alles andere als zufrieden mit ihrer Gesamtsituation, die Danjela, auch der beiden Wohnungen wegen. Wozu um Himmels willen müssen zwei ausgewachsene Menschenkinder innerhalb desselben Grätzels zwei eigene Haushalte führen, wenn sie doch längst ohne jeden Zweifel wissen, dass sie die beiden einzigen ineinanderpassenden Steine eines zweiteiligen Puzzles sind. Einfach absurd ist das. Nur, eine derartige Widersinnigkeit muss ein Mannsbild schon ganz allein erkennen. Auffällig gesetzte Wegweiser in Richtung eines gemeinsamen Haushalts können nämlich ganz schnell um einhundertachtzig Grad umschwenken. Maximal vereinzelt gesetzte, ganz dezente Lockrufe sind da gestattet.
    Was solche sanften Töne betrifft, herrscht an diesem Wochenende jedoch Funkstille. Denn natürlich sind die Renovierungsarbeiten im Stiegenhaus nicht wie vorgesehen zu Schulbeginn fertig geworden. Und natürlich ist es Danjela Djurkovic, die nun Wochenende für Wochenende als Schulwartin dieses humanistischen Gymnasiums mit allem, nur nicht mit Humanismus zu rechnen hat. Was da von den Arbeitern an Dreck fabriziert und liegen gelassen wird, gleicht einer verspäteten Abrechnung mit der eigenen Schulzeit.
    So liegt sie also nach getanem Tagewerk erschöpft mit ihrem Hündchen Edgar auf ihrer viel zu weichen Matratze,als gegenüber ihres Fensters jenes Lebewesen vorbeiläuft, das in dieser Wohnung ohne Voranmeldung jederzeit willkommen wäre, selbst mitten in der Nacht.

    Beim Metzger hat sich mittlerweile die Stimme der Vernunft gemeldet. »Was gibt es bei mir in der Wohnung für so einen Fratzen schon zu holen! Außerdem könnt ich selbst mit einer Münze und einem der Radeln den Kerl auf seinem Brettel nicht mehr einholen!« Da hat er natürlich recht, der Willibald, auch ohne zu wissen, dass das kecke Bürscherl gleich noch gewaltig an Geschwindigkeit zulegen wird.

5
    M IT SEINEN IMMERWÄHREND etwas traurigen und müden Augen steht der Hausmeister Petar Wollnar, Besitzer einer der beiden Reserveschlüssel zu Willibalds Domizil, nun im Vorzimmer seines einzigen Freundes und lauscht aufmerksam den besorgten Worten: »Es ist schrecklich, Petar. Alles weg! Geldbörse samt Jahresnetzkarte, Haus- und Wohnungsschlüssel, es ist die blanke Katastrophe! Was um Himmels willen soll ich tun!«
    »Durchatmen!« Ein gutherziger Blick versucht jene beruhigende Wirkung zu erzielen, die der Hausmeister aufgrund seiner Wortkargheit verbal nie zu vermitteln imstande wäre. Dann erklärt er stichwortartig die weitere Vorgehensweise: »Schloss wechseln, dann Anzeige erstatten!«
    Schlüsseldienst wird keiner benötigt, weil eines Abends einer der bis dahin üblichen Begegnungen im Stiegenhaus eine spontane Weinverkostung oben in der Restauratorenwohnung folgte, dann ein zwecks unfallfreier Bewältigung innig umschlungener Abstieg hinunter ins ebenerdige Hausmeisterdomizil und, dort angelangt, schließlich ein ausgiebiges Restelessen. Restelessen im wahrsten Sinn des Wortes, denn die beiden Herren waren dazumal genau das, was man als Übriggebliebene bezeichnet. Naheliegend, dass schon kurz nach dieser ersten gemeinsamen, vornübergebeugt am Küchentisch verschlafenen Nacht nicht nur Sorgen, sondern auch Wohnungsschlüssel ausgetauscht wurden.
    Somit erspart sich der Metzger also den Aufsperrdienst, einen Schlosswechsel erspart er sich aber nicht. Und weil zugezogene Volksgruppen innerhalb ihres neuen Heimatlandes nicht nur besser vernetzt sind als dessen Ureinwohner, sondern sich in Notfällen auch tatsächlich aufeinander verlassen können, weiß Petar Wollnar, wer anzurufen ist: Pawel Zieliński. Das Telefonat ist sehr kurz, da Pawel Zieliński am Wochenende in seiner Heimat statt passiver Roaminggebühren doch lieber aktiv und gebührend seine eigenen vier
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