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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code
Autoren: M.j. Rose
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bogenförmigen Durchlässen. Er kannte ihn, diesen Ort! Er konnte sich hier verstecken, vor aller Augen, und sie würden vorüberrennen und …
    “Josh?”
    Die Stimme klang, als dringe sie zu ihm aus weiten, blaugrauen Fernen, aber er weigerte sich, um ihretwillen anzuhalten.
    Sie wartete auf ihn … damit er sie rette … sie und ihre Geheimnisse … und Schätze …
    “Josh?”
    Die Stimme zog ihn hinauf, empor durch die trübe, salzige Trägheit.
    “Josh?”
    Widerstrebend schlug er die Augen auf und nahm das Zimmer wahr, die Geräte und seinen zerschundenen Körper. Jenseits der Monitore für Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoff mit ihren blinkenden LED-Ziffern, jenseits von Infusionstropf und EKG-Schreiber, erblickte er eine Frau, die ihn mit sorgenvollem Gesicht betrachtete. Aber es war das falsche Gesicht.
    Das war nicht die Frau, zu der er gerannt war.
    “Josh? Ach, Gott sei Dank! Wir dachten schon …”
    Er durfte hier nicht bleiben. Er musste zurück.
    Noch immer fühlte er jenen Schweißgeschmack auf den Lippen, brannten ihm die Lungen. Unter dem rhythmischen Takt der Maschinen hörte er die Verfolger, und dennoch konnte er an nichts anderes denken als daran, dass sie allein war, irgendwo in der sich niedersenkenden Dunkelheit. Ja, sie fürchtete sich, und ja, sie musste ersticken, falls er nicht rechtzeitig zu ihr gelangte. Von einem quälenden Gefühl übermannt, schloss er die Augen. Nicht zu ihr zu kommen hieße, sie schmählich im Stich zu lassen. Und etwas anderes dazu: Die Schätze? Nein. Etwas Bedeutenderes, etwas gleich jenseits seines Bewusstseins … was war es noch …?
    “Josh?”
    Wie eine Messerklinge schlitzte der Gram ihm die Brust auf, gab sein Herz schutzlos der nackten, brutalen Wirklichkeit preis, dem Begreifen, dass er sie verloren hatte. Das war unmöglich! Das konnte nicht sein. Er erinnerte sich an die Verfolgungsjagd, an seine Flucht und Rettung, als wäre ihm alles persönlich widerfahren. Dabei ging das ja gar nicht. Natürlich nicht!
    Er war nicht Julius.
    Er war Josh Ryder. Er lebte im 21. Jahrhundert.
    Die Szene eben, sie gehörte zu einer Zeit, die sechzehnhundert Jahre zurücklag.
    Wieso wurde er dann das Gefühl nicht los, alles verloren zu haben, was ihm je etwas bedeutet hatte?

2. KAPITEL
    R om, Italien – Gegenwart
    Dienstag, 6:45 Uhr
    Fünf Meter unter der Erdoberfläche beleuchtete eine flackernde Karbidlampe die Südwand des antiken Grabs. Der Anblick setzte Josh Ryder in Erstaunen. Die Blumen in dem Fresko wirkten so frisch, als wären sie erst am Tage zuvor aufgemalt worden. Karmesin-und zinnoberrote, lachs-und orangefarbene, kanarien-und safrangelbe, veilchen-und indigoblaue Blüten vereinigten sich zu einem überwältigenden Gesamtgebinde vor einem pompejiroten Hintergrund. Unter Joshs Füßen schimmerte ein Beckenboden aus blassen Kacheln, ein kunstvolles, labyrinthisches Mosaik aus Silber, Azurblau, Grün, Türkis und Kobaltblau. Hinter sich hörte Josh Professor Rudolfo, der in seinem schwerfälligen, akzentgefärbten Englisch weiter die Bedeutung dieses Grabes aus dem späten vierten Jahrhundert erläuterte. Trotz seiner gut und gerne fünfundsiebzig Jahre wirkte er aufgekratzt und energiegeladen. Seine lebhaften, kohlschwarzen Augen sprühten bei seinem Vortrag über die Ausgrabung vor Begeisterung.
    Der Professor hatte sich über den frühen Besucher gewundert, als Josh ihm jedoch seinen Namen nannte, wandte sich Rudolfo an den diensthabenden Wachposten. Jawohl, erklärte er ihm – zumindest glaubte dies Josh bei seinem spärlichen Italienisch herauszuhören –, ja, er habe Mr. Ryder erwartet, wenn auch eigentlich für den Vormittag, ebenso wie einen weiteren Herrn von der Phoenix Foundation.
    Josh war vor Tagesanbruch aufgewacht. Seit dem Bombenanschlag vom Vorjahr litt er unter Schlafstörungen, doch dass er vergangene Nacht nicht hatte schlafen können, lag vermutlich entweder am Zeitunterschied – er war gerade am selben Tag aus New York kommend in Rom eingetroffen – oder an dem Gefühl der Spannung, wieder in jener Stadt zu sein, in der sich so viele seiner Erinnerungssprünge abspielten. Zu aufgewühlt, um im Hotel zu bleiben, hatte er nach seiner Kamera gegriffen und war zu einem Spaziergang aufgebrochen, ohne recht zu wissen, wohin. Während des kleinen Ausflugs jedoch geschah etwas Sonderbares.
    Ungeachtet der Dunkelheit und der Tatsache, dass er sich in der Stadt kein bisschen auskannte, marschierte er los, als folge er einer auf
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