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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code
Autoren: M.j. Rose
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werden sie dann durch den Schacht flüchten und sich im Schutze der Dunkelheit davonmachen.
    Für die Nacht ist ein sicherer Unterschlupf vorbereitet, wo sie warten wollen, bis Claudia, Sabinas Schwester, am Morgen das Kindchen bringt, dazu die Hälfte vom Schatz der verlorenen Erinnerung. Danach werden sie Rom auf Nimmerwiedersehen den Rücken kehren …
    Durch den dichten Schleier der Jahrhunderte hindurch drang Gabriellas Stimme an sein Ohr. “Schnell … er ist getroffen! Er blutet!”
    Als er um die nächste Ecke biegt, sieht er die Häscher schon lauern, sechs an der Zahl. Sie scheinen geahnt zu haben, in welche Richtung er rennt, und haben ihm den Weg abgeschnitten. Da stehen sie nun, feixend und ihre Flüche ausstoßend. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Ihm bleibt nur eine Möglichkeit: etwas zu tun, womit sie nicht rechnen.
    Er schnappt noch einmal gierig nach Luft und rennt wieder los, schneller noch, als er es je für möglich gehalten hätte, hebt fast vom Boden ab, direkt auf die Bande zu, ohne darauf zu achten, dass sich keiner der Kerle bewegt. Aber das kommt noch. Instinktiv werden sie nach rechts oder links ausweichen, und er, er wird genau in der Mitte durchbrechen.
    Schon sieht er das Blitzen eines Dolches, aber er lässt sich nicht aufhalten. Sabina wartet. Viel Luft hat sie bestimmt nicht mehr.
    Er beschleunigt noch weiter.
    Die Häscher lachen. “Dein Tempel ist weg! Dem Erdboden gleichgemacht.”
    Er prescht frontal auf sie zu, doch er hat sich getäuscht. Einer der sechs weicht nicht seitlich aus, sondern stürzt vor.
    Die Klinge blitzt auf.
    Julius spürt den Stich, kippt würgend vornüber. Die Strolche wiehern hämisch, schlagen sich auf die Schultern. Einer versetzt ihm einen Tritt. Blut quillt aus der Wunde an seiner Seite, schwarz in der Nacht. Einer der sechs sieht es trotzdem und zeigt mit dem Finger darauf.
    “Da, guckt mal, er opfert sich seinen Göttern! Sein Blut auf dem Altar. Lasst es verrecken, das angestochene Schwein! Soll er doch verbluten!”
    Sie trollt sich, die Bande, und mit ihr verhallt bald jedes Geräusch. Julius rappelt sich mühsam auf, stemmt sich schwankend hoch, doch der Schmerz zwingt ihn erneut in die Knie. Egal, es tut nichts zur Sache, ist eine Kleinigkeit nur, nicht mehr als ein Ärgernis. Er muss zu dem Gang, den er mit eigenen Händen gegraben hat, muss durch den Stollen, Sabina befreien, die schon auf ihn wartet, auf dass sie gemeinsam das Töchterchen retten, ein neues Leben beginnen, sie alle drei. Also schleppt er sich taumelnd weiter.
    Gabriella rief seinen Namen. “Josh? Josh? Kannst du mich hören?”
    Er blickte zu ihr empor, wünschte sich nichts sehnlicher, als in der Gegenwart bei ihr zu bleiben.
    “Josh?” Sie hielt ihre Tochter im Arm. Die Kleine guckte zu ihm herab aus großen, Augen, in denen eine Flamme wie wild zu flackern schien, ein Brennen, das er körperlich spürte. “Daddy, Daddy …”, wimmerte Quinn, “Daddy, nicht …”
    Julius sieht, wie Sabina ihr Kind in den Armen hält, bevor sie es ihrer Schwester übergibt. Er hatte sich über sein Töchterchen gebeugt – ein Lebewohl. Ihre Augen hatten ihn angeschaut, und auch in ihnen loderte jenes Brennen, jene wilde Flamme. Wie kann in den Augen eines Babys ein solcher Ausdruck liegen?, hatte er gedacht.
    Zurück in der Gegenwart, verbannte er das Vergangene aus seinem Denken und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass er es hier mit mehr als einem Verbrecher zu tun hatte, mehr als nur einem Mann, den es aufzuhalten galt. Josh sah Malachais Gesicht, das langsam aus seinem Sichtfeld verschwand, sah jene flammenden Augen, sah jenes Blitzen darin, wie immer bei Gesprächen, die sich um die Steine drehten. Er, Josh, er musste den Schmerz überwinden, musste Gabriella warnen, dass Malachai sich absetzen wollte – mitsamt dem Schatz. Er, Josh, musste den Schleier durchbrechen, den Nebel der Zeit! Malachai durfte auf keinen Fall entkommen! Malachai, der Drahtzieher hinter der ganzen Scharade! Er war nun im Besitz der Juwelen und wollte flüchten. Das musste vereitelt werden.
    Er besaß den kompletten Satz Juwelen! Er wollte fliehen!
    Er hatte die ganze Macht!
    Er stellte eine Gefahr dar. Nicht nur für die Gegenwart, nein, für die Zukunft desgleichen.
    Doch als Josh sprechen wollte, drang nur ein unverständlicher Laut über seine Lippen, ein lang gezogenes Zischen, mit dem er es trösten wollte, das Kind, welches Teil war eines anderen Kindes, das wiederum Teil seiner selbst war.
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