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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code
Autoren: M.j. Rose
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keine andere. Ohne die erste Flamme hätte keine der anderen Kerzen entzündet werden können.”
    “Stimmt.”
    “Wir haben etwas miteinander geteilt”, fuhr er fort. “Es hat zwar nicht für jeden von uns beiden dieselbe Bedeutung, aber für eine Weile waren wir zwei sozusagen eine gemeinsame Flamme. Und jetzt, am Morgen, sind wir wieder jeder für sich. Möglich, dass es sich nie wiederholt, aber so ganz verschwinden wird es auch nicht.”
    Sie neigte unmerklich den Kopf, als habe er soeben so etwas wie einen Segen gespendet.
    Genau in diesem Moment klingelte das Telefon.

68. KAPITEL
    F reitag, 10:48 Uhr
    “Ich hab dir doch gesagt, du sollst zusehen, dass sie still ist!”
    Verängstigt war Bettina bisher sowieso schon gewesen, aber dass er sie jetzt auch noch anschrie, ließ ihr Herz in einen hektischen Trommelwirbel verfallen. Sie hätte nie gedacht, dass man dermaßen lange Angst haben konnte, ohne daran zu sterben. Ob er ihr Herzklopfen wohl hörte?
    “Warum können wir denn nicht anhalten und was Süßes kaufen?”, nörgelte Quinn, inzwischen zum sechsten Mal.
    “Weil wir’s eilig haben, Mäuschen. Komm, jetzt sei schön geduldig und still.”
    “Ich will aber anhalten!”, jammerte die Kleine.
    “Ich schwör dir”, polterte Carl vom Fahrersitz, “wenn du das Balg nicht bald zur Ruhe bringst, fahre ich rechts ran und mache es selbst!”
    “Sie ist doch nicht mal drei!”, wandte Bettina ein, ein wenig scharf sogar, sodass sie postwendend vor Schreck erstarrte. Sie hatte ihm Widerworte gegeben! Wie würde er wohl darauf reagieren? Die Hoffnung, dass sich unter seiner rauen Schale ein weicher Kern verbergen könnte, eine sanfte Seele, die keiner Fliege etwas zuleide tut, hatte sie längst aufgegeben. Eins stand für sie fest: Falls es je einen Rest von Menschlichkeit in ihm gegeben hatte, etwas, das auf Liebe und Güte ansprach, so war es längst verhärtet und verdorrt.
    Sie warf einen Blick durchs Seitenfenster, wohl wissend, dass sie zwar hinausschauen, aber niemand von draußen hineinsehen konnte. Der Wagen glich einem fahrenden Sarg. Ein Entkommen unmöglich. Normalerweise brachten Kidnapper ihre Opfer um, das wusste sie aus dem Fernsehen. Wer hatte eine Entführung überlebt? Wie hoch mochte der Prozentsatz sein? Auf einmal fielen ihr Hunderte von Zeitungsschlagzeilen ein, denen sie vorher nie Beachtung geschenkt hatte.
    “Warum können wir denn nix Süßes kaufen?”, quengelte Quinn weiter.
    “Sie soll die Klappe halten, hab ich gesagt! Hast du was an den Ohren? Herrgott noch mal, geht sie mir auf die Nerven!”
    “Schätzchen, wir kaufen dir was, wenn wir bei Mommy sind, ja? Dauert auch nicht mehr lange. Dann kriegst du was Schönes.”
    “Dann können wir doch halten und was Süßes kaufen und es Mommy mitbringen.”
    Carl drehte den Kopf ganz leicht nach hinten. “Ich sag’s dir jetzt zum letzten Mal: Wenn’s nicht anders geht, stopf ihr ’nen Strumpf ins Maul! Das geht mir auf den Sack, das Genöle, kapiert? Oder muss ich’s in dich reinprügeln?”
    Kein Zweifel, dass er dazu fähig war und auch nicht davor zurückschrecken würde. Bettina wischte sich die Hände an den Jeans ab und beäugte verstohlen den Hinterkopf des Fahrers, jene fünf Zentimeter Haut zwischen Haaransatz und Hemdkragen. Wenn sie sich auf ihn stürzen und in den Nacken beißen würde – reichte das wohl, um ihm so viel Schmerzen zuzufügen, dass es ihn außer Gefecht setzte? Nein, Blödsinn. Er saß ja am Steuer; womöglich verlor er die Kontrolle über den Wagen und würde sie alle umbringen. Jedenfalls war sie ihm in den vergangenen drei Tagen noch nie so nah auf die Pelle gerückt. Die übrige Zeit hatte sie hilflos im Motel herumgesessen, beim ununterbrochenen Gedröhne des Fernsehers und ohne Möglichkeit, einen wie auch immer gearteten Überraschungsangriff zu versuchen.
    “Können wir nicht was Süßes für Mommy kaufen?”
    “Schnauze jetzt, verdammte Scheiße!”
    Bettina brach aufs Neue der Schweiß aus allen Poren. Am ganzen Körper zitternd, fingen auch ihre Zähne wieder zu klappern an. Quinn, die sich das nun schon volle drei Tage hatte anhören müssen und das Zähneklappern automatisch mit dem Wutausbruch des Fahrers assoziierte, fing laut und durchdringend an zu weinen.
    Bettina stand Todesängste aus. Was, wenn der Kerl ausflippte? Wenn er sich umdrehte und sie beide kurzerhand abknallte?
    “Komm, Quinnie, hör auf zu weinen. Wir sind ja bald bei Mommy, und die freut sich dann ganz
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