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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Versuch der Verurteilung eines seiner Untertanen vor. Am Ende hatte er aber doch zustimmen müssen, daß Leoman die Anklage vertrat.
    Während dieser in dem großen, mit rotem Samt bezogenen Chorstuhl seinen Platz einnahm, schweifte der Blick des Bergrichters über den Knappenchor. Schnell prüfte er die Anordnung des Richtertisches, die Position des Anklägerstuhles, der nach seinen Anweisungen etwa sechs Ellen rechts vom Richtertisch aufgestellt war, sowie die Sitzordnung der Geschworenen.
    Im gleichen Moment wurde ich überrascht durch das laute Getöse der sich von den Kirchenbänken erhebenden Menge.
    Ich sah, wie Schiller-Herdern sich gequält aus seinem Stuhl erhob, auf den er sich vorschnell gesetzt hatte.
    Erasmus Reisländer trat hinter den Richtertisch, wandte sich und stand voll in der einfallenden Sonne – unnahbar, ja majestätisch. Sein Kopf hob sich, seine Augen fixierten durch den Dunst hindurch die Männerreihe vor mir an der Balustradenkante.
    Wir saßen! Ich war mir sicher, er fühlte den Unwillen und die Mißachtung, die ihm und seinem Bergrichteramt entgegenschlugen.
    Mit dem Atem, der aus seiner Lunge gleichmäßig strömte, zitierte Reisländer langsam, tragend, aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums:
    ›»Im Anfang war das Wort … nicht die Tat … nicht die Macht, sondern die im Wort sich öffnende Wahrheit!‹«
    Die Worte hallten zurück wie ein Echo am Berg.
    Links von ihm stand der Gerichtsdiener, der auf beiden Händen den Richterstab trug. Der Stab wird Keilhaue oder auch Judenhammer genannt und ist aus purem Silber gegossen – einerseits Amtszeichen, andererseits Sinnbild der Gerichtsherrschaft. Wer ihn hält, hat die Macht und spricht das Urteil.
    Reisländer wandte sich dem Gerichtsdiener zu, ergriff den Stab und intonierte die traditionellen Worte:
    »Um allezeit der Gerechtigkeit hier Gehör zu verschaffen, übernehme ich zu dieser Stunde an diesem geweihten Ort die Berggerichtsherrschaft. Ich eröffne den Prozeß gegen Adam Dreyling, heute am Sonntag, dem 4. Februar im Jahre des Heils 1590.«
    Daraufhin nahm er auf dem Richterstuhl Platz, lehnte sich zurück und blickte hinüber zur Bank der Geschworenen. Jedem einzelnen der elf sah er in die Augen, hielt den Blick, ließ nicht zu, daß einer ihm auswich.
    Seine Augen herrschten und beobachteten, während die Hände zuerst das Pergament sicher sortierten und danach ausbreiteten. Der Richterstab lag rechts neben ihm. Das einfallende Licht betonte den Kopf und hob ihn aus dem Schatten hervor, machte ihn zum Zentrum auf der Altarebene. Auf ihn allein konzentrierten sich die Menschen beider Chöre. Von ihm wurden sie angesogen – ein Augenblick jenseits von Ort und Zeit.
    »Diese frontale Darstellung ist allein dem Erlöser vorbehalten!« keuchte Monsignore d’Angelis. »Wer verschafft ihm diese Bühne? Der Tisch gehört rechts hinunter an die Wand – diese Pose an diesem Ort ist ein Frevel!«
    »Ich kenne ihn. Er selbst hat die Position genau gewählt – er beobachtet seine eigene Wirkung – er hat einen Instinkt dafür, seine Richterrolle wirksam zu spielen. Ich war von vornherein dagegen, das so aufzuziehen!« erregte sich Dr. Justinian Moser.
    Reisländer erhob sich wieder von seinem Stuhl, um die Besetzung des Berggerichts zu verkünden:
    »Ankläger gegen Adam Dreyling: der Kanzler von Tirol, Herr Leoman von Schiller-Herdern.«
    Schiller-Herdern schnellte gespannt wie eine Fidelsaite empor. Danach gab Reisländer die Namen der Geschworenen des Berggerichts bekannt. Die Keilhaue pochte zweimal auf den Richtertisch. Das Signal lockte die Aufmerksamkeit hinüber zum Westportal, dem Seiteneingang gleich gegenüber der Totenkapelle, in der Adam Dreyling auf seinen Prozeß wartete.
    »Fronboten! Den Angeklagten!«

Sonntag,
der 4. Februar, 10.25 Uhr
    Abertausend Köpfe drehten sich seitlich zum Westportal, durch das der Delinquent nun hereinkommen mußte.
    Das Portal öffnete sich.
    Eisen klirrte.
    Die Menschen davor wurden von den groben Fäusten der Büttel auseinandergeschoben. Von der Empore aus wirkte es wie eine Welle der Unruhe, die sich quer durch die Menge wälzte.
    Voran stapfte der Fronbote Nicklas Findler, ein in die Breite gelaufenes, kurzbeiniges Mannsbild mit grellroten Pluderhosen, Brust und Rücken in blanken Stahl gepanzert, das stählerne Schützenhäubl auf dem runden Schädel über dem aufgedunsenen Gesicht, dessen Farbe die deutliche Liebe seines Trägers zu Bier und Branntwein verriet.
    Dahinter, von
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