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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Qualität des gewonnenen Erzes.
    Etwas abgesetzt von den ersten sechs Geschworenen kamen die restlichen fünf Männer auf die Bank zugeschritten. Sie nahmen einer nach dem anderen, beobachtet von tausend Augenpaaren, ihren Platz ein. Der gesenkte Blick verriet die Belastung, die der Fall Dreyling und die ungewohnte Öffentlichkeit auf die Männer ausübten.
    Zyprian Gotzner. Scheu ging er, vom Rücken Haselwarters gedeckt, zur Geschworenenbank. Fast alle Knappen wußten, daß er als Bergschreiber seine Verpflichtungen überaus ernst nahm, jedoch Hemmungen hatte, mit ihnen ein Bier zu trinken.
    Deutlich getrennt in der Bank – drei Ellen weg von Gotzner – der hitzige Silberbrenner Ambros Mornauer, der »Silberling«, wie er von den Knappen genannt wird. Bleich im Gesicht, und einen Kopf so blank wie eine frisch geprägte Silbermünze aus Hall. Die »Dämpfe«, so sagte er, hätten ihm das Haar genommen.
    Als letzte der Prozession nahmen die Fronboten auf der Bank Platz. Asum Achner, Wilhelm Ygl und Caspar Clainer könnten Drillinge sein. Ihre Brutalität, mit der sie für Ruhe und Ordnung sorgten, war unter den Knappen und Wirten gefürchtet.
    Erneut vernahm ich das Geräusch der sich öffnenden Sakristeitür.
    Das Raunen in der Kirche schwoll ab, als hätte der Trennschieber den Wasserstrom auf ein Schaufelrad angehalten.
    Zwei Gestalten schritten aus dem dunklen Altarraum ins Licht. Vorneweg Leoman von Schiller-Herdern, der Ankläger. Dahinter der altehrwürdige Bergrichter Erasmus Reisländer.
    Leoman von Schiller-Herdern war eine Erscheinung, die sofort ein Gefühl der Abwehr hervorrief. Sein schwarzer Talar, von dem sich die kleine, weiße Halskrause deutlich abhob, verstärkte die Düsterkeit, die ihn umgab.
    Seine Schriften und Reden, die er verfaßte, beweisen seine besonders leidenschaftliche Hinwendung zur Gegenreformation. Seine bekannt schroffe, kalte Art, Menschen zu behandeln, war gefordert bei dieser Aufgabe und gewünscht vom Hofe – besonders innig an jenem Tag. Seine juristische Ausbildung, die er bei den Jesuiten zu Ingolstadt erhalten hatte, machte ihn zur Speerspitze der Hoffnungen und zum loyalsten Vollstrecker der genauen Weisungen der Herren auf der Empore.
    Seine kurzen Blicke zu uns herauf empfand Schiller-Herdern wohl wie einen Ringtausch zwischen ihm, der die Anklage vertrat, und den Politikern samt Geldadel, hoch über den blanken, kalten Steinplatten. Solch einer innigen Beziehung bedurfte es schon, um Hunger, Haß, Aufruhr, wirtschaftlichen Abstieg, die das ganze Tiroler Volk bewegten, auf einen einzigen Menschen vernichtend zu bündeln.
    Sein Gesicht war scharf geschnitten, von einem dichten, schwarzen, am Kinn spitz zulaufenden Bart gerahmt, der den vollippigen, etwas zu groß geratenen Mund freiließ. Die schmale, lange Nase zwischen den eng stehenden Augen verstärkte das Stechen im Blick. Das Haar, so kurz wie der Bart, bedeckte den Schädel ebenso dicht wie jener das Gesicht. Die langfingrige rechte Hand umfaßte ein Bündel eng beschriebener Seiten: Protokolle aus Innsbruck, Aussagen des Angeklagten zur Person, vor allem aber die Anklageschrift. Die dunkel angelaufenen Tränensäcke waren die Quittung für das nächtliche »Talglicht-Abbrennen«.
    Sichere Anklagepunkte wie beim Malefiz-Gericht, wo unter schwerer Folter alle geständig werden, wären eine wesentliche Erleichterung für die Anklage gewesen, besonders aber für die Urteilsfindung. Schiller-Herdern hatte es hier ein wenig schwerer. Bei Dreyling war kein Inquisitionsverfahren vorangegangen, bei dem das zur Aburteilung erforderliche Geständnis herausgefoltert werden konnte!
    Bei Berggerichtstagen war es schon immer schwierig gewesen, über das Blut zu richten. Die Berggerichtsbarkeit ist ein von den Bergverwandten begehrtes und ein vom Bergrichter eifersüchtig gehütetes Recht. Sein Gerichtsstab schwebt nicht nur über den Köpfen derer, die mit dem Berg durch tägliche Arbeit zu tun haben, nein, er schwebt auch über den Frauen, Witwen, Kindern, und zwar im Leben und sogar im Tode – wie mir der alte Reisländer in seiner bestimmten Art vor vielen Jahren erklärte.
    Nun, Leoman von Schiller-Herdern war deutlich gegen diese Gewaltenteilung. Die Zusammensetzung des Gerichtes an jenem Tag war freilich ein Sieg des Landgerichts. Der Bergrichter Reisländer hatte sich bis zuletzt gegen die Person Leomans als Ankläger gesträubt. Öffentlich warf er ihm Einmengung, Übergriffe, willkürliche Gefangennahme und den
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