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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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hinuntergeworfen wird. Und vielleicht – vielleicht – wenn’s ihn drunten zerbatzt.«
    Auch mein nun ungehinderter Blick schweifte hinüber ins parallele Südschiff der Liebfrauenkirche, den Knappenchor: Im Chorgestühl die Häuer, Truhenläufer und Haspler, die Männer, die die schwere Arbeit unter Tage leisten, mit den Schienern und Schichtmeistern an der Spitze. Dahinter die Wäscher, Saigerer, Vorwäger, Röstmeister aus den Pochwerken und Schmelzhütten. In den Seitengängen die Säuberbuben, die Haldenscheider, Schlepper und Hüttknechte.
    Wie ein Block standen und saßen sie da: hart wie der Stein, den sie schlagen, zäh wie das rote Kupfer und stolz wie das weiße Silber, das sie aus ihm schmelzen.
    In ihren schweren Fäusten lag der Reichtum und damit die Macht und die Ehre von Schwaz. Sie, die Berggemeinde, die Bergverwandten, waren die Standesvertreter des Schwazer Bergbaus, »Aller Bergwerke Mutter« genannt.
    Stolz und Entschlossenheit konnte man auf ihren Gesichtern lesen. Nur bei wenigen sah ich Unsicherheit und Sorge. Die Sorge kam nicht von ungefähr. Seit Jahren ging die Ausbeute an Kupfer und Silber unerbittlich zurück. Die Zeiten, als bis zu zwanzigtausend Männer in und am Berg arbeiteten, waren längst vorüber – jetzt waren es noch zwei einhalb tausend.
    Ihre Thesen sind in jeder Knappenschänke zu hören:
    »Wir sind nicht irgendeine, wir sind die Bergstadt.
    Wir sind, zusammen mit den Augsburger Handelshäusern, die Quelle des europäischen Handels.
    Wir stärken mit unserem Erz das Habsburger Weltreich.
    Wir sind das Fundament des europäischen Silberhandels.
    Trotz unseres Hungers und Elends. Trotz des Silbers aus der Neuen Welt. Auch heute noch!«
    Die im Mittelgang stehenden Männer wirkten wie drohende Marschkolonnen.
    »Keine Strafe ist schwer genug für dieses Schwein!« hörte ich den stiernackigen Häuer Franz Prasch.
    »Verraten und verkauft hat er uns an die Ketzer, an die Polacken und Gott weiß, an wen sonst noch!« stimmte Joseph Eiba, einer der Truhenläufer zu.
    Ein weißhaariger Lehenhäuer winkte ab: »Was soll er denn verraten haben, was die anderen nicht längst wußten? Daß wir tiefer und tiefer graben und mehr Wasser fördern als Stein? Und mehr tauben Stein als Erz? Ist er vielleicht der liebe Gott, daß er mit einem Wunder das Kupfer und Silber aus dem Berg hat verschwinden lassen?«
    »Aber gib doch zu«, erregte sich Franz Prasch, »damals, Anno ’74, fing das Elend an! Just damals, als er Schiener gewesen ist!«
    Der alte Lehenhäuer schüttelte den Kopf:
    »Anno ’74 – just in dem Jahr hab’ ich mich als Lehenhäuer verdingt. Und er hat mich mitgenommen in den Berg, hat mir eine Ader gezeigt, ziemlich hoch oben. Hat gesagt: ›Korbi Brandhuber, reich ist die Ader nicht, aber dein Auskommen wirst du haben.‹ Ich hab’ ihm vertraut – reich bin ich nicht geworden, aber gehungert hab’ ich auch nie. Und ich muß nicht Tag um Tag wie eine halbersoffene Ratte aus dem Berg kriechen wie Ihr, die Ihr in den tiefen Stollen grabt. Ich sage: Gott segne ihn!«
    »Du bist ein unverbesserliches Rindvieh, Korbi!« antwortete ihm der Berti Mader, ein langnasiger, strohblonder Häuer. »Weil er vielleicht zu dir tatsächlich anständig gewesen ist, willst du nicht sehen, daß er Tausende an den Bettelstab gebracht hat!«
    »In den tiefsten Schacht mit diesem Saukerl!« bestätigte Joseph Eiba, der Truhenläufer.
    »Und da wird er auch landen«, nickte Franz Prasch. »Wenn es schon die Hand oder gar den Kopf kostet, auch nur einen einzigen Stein aus dem Berg heimlich mitzunehmen, dann erst recht, wenn einer all unsere Geheimnisse verraten hat!«
    »Und ich glaube es einfach nicht!« begehrte der Korbi Brandhuber auf.
    »Dann laß es! – Aber red nicht so laut!« wandte sich der Schiener Ferdinand Kreitmayer in der Bank um.
    »Ich red’, so laut ich mag. Und das Gericht wird erweisen, daß ich recht hab’!«
    »Das wird etwas ganz anderes erweisen«, stellte der Schiener fest. »Der gnädige Herr Marx Fugger hat es mir selber erst gestern gesagt: Alles ist wahr, was in der Anklage erhoben wird. Alles! Und beweisen läßt es sich. Ganz leicht, hat der gnädige Herr Fugger gesagt. Hat mit mir selber geredet, der gnädige Herr Fugger, und mit dem Zacharias Berner und dem Toni Grassel und dem Enzio Trescore auch. Magst sie ja fragen.«
    In der Kirche wandten sich die Köpfe.
    Von der Orgelempore polterten dumpfe Schritte herunter, begleitet vom Knistern und Rauschen
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