Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
durchs Haus. Manfred, komm mit!» Nach zehn Minuten kamen sie zurück. Horst hatte mittlerweile mehrere Bretter entfernt und starrte in das entstandene Loch: «Verdammt! Nichts! Nur Mäuseköttel! Nichts, womit ich euch alle abknallen könnte!»
    Ursula war jetzt hellwach: «Mir ist aufgefallen, dass überall Sachen aus dem Jagdhaus stehen. Zum Beispiel der kleine Tisch da drüben zwischen den Fenstern oder die Stehlampe hinter dem Sofa. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater Katrin all diese Gegenstände geschenkt hat.» – «Was willst du damit sagen?», wollteManfred wissen. «Dass ich sie ins Jagdhaus zurückbringen werde, wo sie hingehören.» Und dann: «Kommt mit nach draußen! Ich halte es hier drinnen nicht länger aus.» – Von ihnen unbemerkt, waren schwarze Wolken aufgezogen. Ein Windstoß kündigte ein Gewitter an. «Wir müssen jetzt entscheiden, was wir mit Katrins Sachen machen», sagte Ursula. Da zog Maria Axel heran: «Wir wollen heiraten.» – «Du bist schwanger», sagte Ursula. «Ich gratuliere.»
    Sie wollte noch hinzufügen, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für private Ankündigungen wäre, als sie sah, dass Rauch aus der Haustür drang. Sie sprang auf. Horst kam ihr entgegen. Er hatte in der Mitte der Wohnküche aus den herausgerissenen Brettern einen Scheiterhaufen gemacht und ihn angezündet. «Bist du wahnsinnig!», schrie sie. Sie kippte den Mülleimer aus und ließ ihn voll Wasser laufen. In ihrer Panik schüttete sie es daneben. Die Flammen züngelten weiter, das morsche Holz brannte gut. Sie hustete und kämpfte, zehnmal musste sie den Eimer füllen, dann war es geschafft. Beißender Rauch stand im Raum. Sie rannte ins Freie und schnappte nach Luft. Der Platz vor dem Haus war leer. «Ruth!», rief Ursula. Und noch einmal: «Ruth!» Aber da war niemand. Ruth war wohl nach Birkenfeld gefahren, Zigaretten holen.
    Ursula setzte sich auf die Bank, auf der Katrin ihren Kindern Lieder vorgespielt hatte. Neben ihr lag in Halbleder gebunden «Soll und Haben», das Buch, das Katrin nie gelesen, aber als Geschenk des alten Barons zusammen mit der Geige im schwarzen Kasten und einem kleinen Stapel Schellackplatten, zu deren Musik sie mit Martin getanzt hatte, für die Kinder unerreichbar in ihrem Schlafzimmer aufbewahrt hatte. Ihre Hand spielte mit einer silbernen Gürtelschnalle. Was war die Großmutter, der sie einst gehört hatte, wohl für eine Frau gewesen? Das Buch und die Schnalle hatte sie sich genommen. Diese Erbstücke gehörten ihr. Die ersten Tropfentrafen ihr Gesicht. Sie hielt es dem Regen entgegen. Erschöpft und erleichtert schloss sie die Augen.
    ***
    Bernhard ging wie jeden Morgen in den Frühstücksraum. Er ließ sich nichts anmerken. Es begann sein dritter Tag im Sanatorium. Nora hatte ihn gedrängt, er hatte sich gesträubt. Sie hatte weiter auf ihn eingeredet, hatte versprochen, in seiner Abwesenheit das Haus «auf Vordermann» zu bringen und die überfälligen Reparaturen am Dach ausführen zu lassen. Schließlich hatte sie gedroht, ihn mit einer ärztlichen Verfügung ins Sanatorium einweisen zu lassen. Erschöpft hatte Bernhard unter der Bedingung eingewilligt, dass er das alte, ihm vertraute Zimmer bekommen würde.
    Bei seiner Ankunft stellte sich heraus, dass außer einem Zimmer im obersten Stockwerk nichts frei war, eine Mansarde, in der er nur zwischen Bett und Einbauschrank aufrecht stehen konnte. Nora hatte seinen Wunsch nicht dringend gemacht, die Empfangsdame bedauerte. Als er seinen Koffer ausgepackt hatte, stand sein Entschluss endgültig fest. Er musste sich vorbeugen, um aus dem niedrigen Fenster auf den Hausberg mit der schroff abfallenden Nordwand blicken zu können.
    Bernhard hängte das Bitte-nicht-stören-Schild an die Klinke und verschloss die Tür. Er rückte einen Stuhl vor den Waschtisch und betrachtete im Spiegel prüfend sein Gesicht. Aus einem Kästchen nahm er eine Dose und verteilte mit den Fingerspitzen die weiße Schminke in seinem Gesicht. Das machte er nicht zum ersten Mal, seine Bewegungen waren geübt. In zwei Schichten trug er die Paste auf, grundierte sorgfältig die Ringe unter den Augen und die Falten auf der Stirn. Dann tupfte er mit einem Handtuch über Schläfen und Wangen, um zu verhindern, dass sie zu glänzen anfingen.
    Danach begann die Feinarbeit. Er musste sich konzentrieren, damit seine Hand nicht zitterte und die dünnen Striche zur Verlängerung der Augenbrauen nicht verwackelten. Er arbeitete aus der Erinnerung.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher