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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen
Autoren: David Morrell
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Tür trat. Wie er wußte, führte sie zum Strand. Einer von vielen Fluchtwegen. Alles in Ordnung.
    Er folgte rechts einem kurzen Korridor und kam zu einer in ein Restaurant führenden Treppe. Das Restaurant war, wie an den vergangenen Abenden, ziemlich gut besucht. Er und sein Gesprächspartner würden also nicht auffallen. Andererseits war es nicht so voll, daß sie von möglichen Zuhörern umgeben wären.
    Auch in Ordnung. Vielleicht täusche ich mich, dachte Buchanan. Vielleicht läuft alles gut. Doch eine warnende Stimme riet ihm, weiterhin auf der Hut zu sein.
    Zunächst war er beruhigt, als sich ein mexikanischer Kellner näherte und ihn zu dem gewünschten Tisch in einer entfernten Ecke geleitete. Buchanan setzte sich mit dem Rücken zur Wand, so daß er die Treppe im Auge behielt. Die Klimaanlage kühlte seine schweißbedeckte Stirn. Er blickte auf die Uhr – neun Uhr fünfundzwanzig. In fünf Minuten würde der andere erscheinen. Buchanan tat, als lese er die Speisekarte, und versuchte, ruhig zu wirken.
    Plötzlich entdeckte er oben an der Treppe zwei Männer. Sein Puls raste. Er hatte bloß einen Mann erwartet.
    Beide waren Lateinamerikaner. Sie trugen beigefarbene, modisch zerknitterte Leinenanzüge, die gelben Seidenhemden standen weit offen. Sie waren hager, in den Dreißigern, mit markanten, strengen Zügen und dunklem, angeklatschtem Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war. Die Augen unter den schweren Lidern waren dunkel wie das Haar, glitzernde, unbarmherzige Raubtieraugen. Es waren gemelos , Zwillinge, und wie sie so das Restaurant betraten, strafften sie beide gleichzeitig die Schultern, warfen sich in die Brust, ein Selbstvertrauen ausströmend, als gehörte die Welt ihnen.
    Buchanan versuchte, locker zu wirken, ohne in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Die beiden Männer steuerten ohne Zögern auf ihn zu. Ihr Fußvolk hatte ihnen bestimmt eine genaue Beschreibung von ihm geliefert. Außerdem war er wohl heimlich fotografiert worden. Buchanan haßte Fotos. Er erhob sich und gab den beiden die Hand. Um zu zeigen, daß er unbewaffnet war, hatte er absichtlich kein Jackett angezogen. Das eng sitzende marineblaue Hemd trug er in der Hose, ein Zeichen dafür, daß er weder eine Pistole noch ein Tonbandgerät oder einen Sender verbarg. Er wußte, daß die beiden Männer eine solche Geste der Offenheit schätzen würden. Andererseits ließen sich solche Burschen nichts vormachen: Moderne Sendegeräte waren so winzig, daß man sie leicht in Form eines Knopfs am Hemd tragen konnte. Eine Handwaffe brauchte Buchanan auf so kurze Entfernung nicht. Der Kugelschreiber in der Hemdtasche wirkte, wenn es sein mußte, ebenso tödlich.
    Sie begrüßten ihn auf englisch.
    Buchanan antwortete auf spanisch. »Vielen Dank, daß Sie gekommen sind.«
    » De nada. – keine Ursache«, sagte der erste und forderte Buchanan mit einer Handbewegung auf, wieder Platz zu nehmen.
    Die beiden sahen sich aufmerksam um, schienen mit der Umgebung zufrieden und setzten sich ebenfalls. Sicherheitshalber legten sich beide eine Serviette auf den Schoß und schoben mit einer geschmeidigen, geübten Handbewegung eine Pistole darunter. Dann musterten sie ihr Gegenüber.
    »Sie haben Mut«, sagte der eine Zwilling.
    »Gracias.«
    »Und das Glück der Dummen«, sagte der zweite. »Wir hätten Sie jederzeit für immer ausschalten können.«
    » Claro que si – versteht sich. Aber ich hoffte, daß Sie vernünftig sind. Denn ich bin sicher, daß ich Ihnen ein gutes Angebot zu machen habe.« Buchanan sprach mit leiser Stimme. »Sie wissen, wie gut meine Geschäfte laufen. Ich gehe davon aus, daß ich es mit erfahrenen Geschäftsleuten zu tun habe. Mit Profis. Daß Sie mich wegen meines Unternehmens nicht – wie Sie es ausdrücken – für immer zum Schweigen gebracht haben, ist ja ein Beweis dafür. Ihnen ist …« Buchanan räusperte sich diskret und deutete zur Warnung mit dem Kopf nach links.
    Der Kellner näherte sich und überreichte ihnen die Speisekarte. »Möchten Sie etwas trinken, Señores?«
    »Für mich Tequila. Y para mis compadres – und für meine Freunde?« fragte Buchanan.
    »Das gleiche«, antwortete der erste. »Mit Limone und Salz.«
    »Doppelte für jeden«, sagte der zweite.
    Nachdem der Kellner gegangen war, lehnte sich der erste Zwilling drohend über den Tisch und flüsterte Buchanan heiser zu: »Schluß mit dem Blödsinn, Señor Potter. Was wollen Sie von uns? Das ist Ihre einzige Chance.« Er klopfte auf die
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