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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen
Autoren: David Morrell
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herab zu dem unten stehenden Buchanan. »Die Sportart trug den Namen pok-a-tok «, dozierte Drummond weiter. »Die Darstellungen ringsum zeigen die alten Maya beim Spiel. Sie benutzten einen Latexgummiball, ungefähr so groß und schwer wie ein Medizinball. Es ging darum, ihn durch die vertikalen Steinringe an den beiden Schmalseiten des Feldes zu werfen. Es ist anzunehmen, daß zu jedem Team ein Ring gehörte. Die alten Maya begriffen pok-a-tok nicht als bloße Entspannung, vielmehr besaß das Spiel für sie große politische und religiöse Bedeutung. Ihre Mythen erzählen davon, daß zwei Götter dieses Spiel einst miteinander spielten. Als Gewinn setzte jeder sein Volk ein. Es kann als erwiesen gelten, daß es gewöhnlichen Sterblichen nicht gestattet war, dem Match beizuwohnen, nur Adligen, Priestern und Mitgliedern des Königshauses. Des weiteren gibt es Beweise, daß pok-a-tok ein Präludium zum Menschenopfer war, gewöhnlich mit Kriegsgefangenen anderer Stämme gespielt wurde – und keiner übrigblieb.«
    »Es wurde um Leben und Tod gespielt.« Raymonds Stimme kam von hinten, und Buchanan sah sich schnell um.

8
 
    Was er sah, lähmte ihn und stellte seinen Verstand in Frage. Im ersten Augenblick glaubte er, Opfer einer Halluzination und eines durch Ermüdung und die Gehirnerschütterung getrübten Wahrnehmungsvermögens zu sein. Doch als Raymond, von der sinkenden Sonne rot angestrahlt, durch die Rauchschwaden nähertrat, zwang Buchanan sich zu der Einsicht, daß alles, mochte es noch so unwirklich erscheinen, unbestreitbar und auf erschreckende Weise Realität war.
    Raymond war teilweise nackt. Taille und Unterleib waren durch dicke Lederplatten geschützt. Die entblößten Muskeln ließen eine Kraft und Kondition ahnen, die er nur durch tägliches Training erreicht haben konnte.
    Buchanan, der sich vor seinem Einsatz in Mexiko in prächtiger körperlicher Verfassung befunden hatte, war lange auf Achse gewesen und hatte keine Zeit für sportliche Betätigung gefunden; dies und seine Verletzungen hatten zu einem Formtief geführt.
    Die Lederausrüstung sah mehr als grotesk aus, aber was den phantastischen Anstrich noch verstärkte, war der Helm, von dem lange Federn, in vielen Farben schillernd, nach hinten wallten und die Illusion erzeugten, ein Maya-Krieger sei nicht bloß aus dem Rauch, sondern aus dem Nebel der Geschichte aufgetaucht. Er hatte einen großen Ball bei sich, den er auf den steinernen Boden fallen ließ; dem Aufprall folgte ein dumpfes Echo, ein Zeichen dafür, wie fest und schwer er war. Raymond schleuderte Buchanan den Lederschutz vor die Füße.
    »Ziehen Sie sich aus und legen Sie dieses an.«
    »Zum Teufel, nein«, rief Buchanan.
    Raymond nahm den Ball auf und warf nach Buchanan. Da dieser, noch unter dem betäubenden Einfluß der Droge stehend, nicht rasch genug ausweichen konnte, wurde er leicht am linken Arm getroffen, was zu seinem Erstaunen so schmerzhaft war, als wäre es ein Stein gewesen.
    »Ziehen Sie sich aus und legen Sie den Schutz an, sonst überstehen Sie nicht einmal die erste Spielminute«, riet ihm Raymond.
    Langsam, um Zeit zu gewinnen, folgte er der Aufforderung und suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit zur Flucht, doch gegen die Posten und ihre Maschinenpistolen war nichts auszurichten.
    »Die habe ich selber entworfen«, prahlte Raymond, während Buchanan die rohen, dicken Lederschützer anlegte, »nach dem Vorbild der Zeichnungen dort.« Er deutete nach links, auf eine Darstellung unterhalb des aus der Mauerkrone ragenden Steinreifens.
    Buchanan betrachtete das Bild genauer. Auf den ersten Blick sah der mit Rüstung und Kopfschmuck bekleidete Krieger Raymond auf verwirrende Weise ähnlich. Er konnte sich von der Figur nicht losreißen. Entsetzlich, denn der Krieger hielt einen abgeschlagenen Kopf, von dem das Blut tropfte, an den Haaren hoch.
    »Das meinte ich mit Leben und Tod«, sagte Raymond. »Merken Sie sich: Die Strafe für den Verlierer war der Tod. Und der Sieger blieb nicht nur am Leben, er durfte die Hinrichtung sogar selbst vollziehen.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß ich frei bin, wenn ich gewinne?« fragte Buchanan mit heiserer Stimme.
    »Die alten Mayas sahen das möglicherweise anders«, rief Drummond herüber.
    »Was heißt das?«
    »Einige Spezialisten auf dem Gebiet der Maya-Kultur vertreten die Theorie, daß nicht der Verlierer, sondern vielmehr der Sieger enthauptet wurde.«
    »Das ist doch absurd«, widersprach Buchanan. »Wer hätte dann
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