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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth
Autoren: Robert Silverberg
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naturgemäß nach dem einfachsten Ziel, würde den Strahl durch den Buckel ins Rückgrat senden und damit das Tier zur Strecke bringen. Muller hingegen bevorzugte mehr Finesse.
    Er wählte eine Stelle etwa fünfzehn Zentimeter vom Buckel entfernt, dort, wo das Rückgrat in den Schädel eintrat. Ein Schuß reichte aus. Das Tier schwankte und brach zusammen. Muller rannte so rasch auf die Beute zu, wie er es wagen konnte. Er überprüfte jedes Aufsetzen der Füße. Rasch trennte er die unwichtigen Teile ab: Extremitäten, Kopf und Innereien. Dann sprühte er eine Siegelmasse über den Brocken rohen Fleisches, den er aus dem Körper geschnitten hatte. Schließlich schnitt er sich noch ein gewichtiges Steak aus der Hinterhand und schnallte sich beide Pakete auf den Rücken. Er drehte sich um und suchte nach dem im Zickzackkurs verlaufenden, einzig sicheren Weg zum Zentrum des Labyrinths. In weniger als einer Stunde konnte er sich wieder in seinem Lager im Herz der Zone A befinden.
    Halb hatte er den Platz überquert, als er ein ungewöhnliches Geräusch hörte.
    Er hielt inne und sah zurück. Drei kleine Tiere eilten hüpfend auf den Kadaver zu, den er zurückgelassen hatte. Aber es war nicht das Scharren der Aasräuber gewesen, das ihn beunruhigt hatte. Bereitete das Labyrinth eine neue Todesfalle vor? Ein tiefes, grollendes Geräusch, über dem ein heiseres Dröhnen im mittleren Frequenzbereich lag, war zu hören. Und es war zu langgezogen, um mit dem Brüllen eines besonders großen Tieres verwechselt zu werden. Ein Geräusch, das Muller noch nie zuvor gehört hatte.
    Nein: ein Geräusch, das er hier noch nie gehört hatte. Irgendwo in seiner Erinnerung klingelte etwas. Muller suchte danach. Das Geräusch kam ihm irgendwie bekannt vor. Dieses doppelte Dröhnen, das immer schwächer wurde, je weiter es in der Ferne verschwand. Was war es nur?
    Er versuchte, seine Position festzustellen. Die Geräuschquelle mußte sich irgendwo hinter ihm befinden. Zumindest war es ihm so erschienen. Muller sah in die Richtung und entdeckte nur die dreifache Kaskade der inneren Labyrinthwand, die hoch über der glitzernden Bernsteinschicht aufragte. Und darüber? Dort sah Muller nur den sternenbeleuchteten Himmel mit dem Affen, der Kröte, der Waage.
    Jetzt erinnerte sich Muller an das Geräusch.
    Ein Schiff. Ein Sternenschiff, das aus dem Warpflug auf Ionenantrieb umgeschaltet hatte, um zur planetaren Landung anzusetzen. Das Donnern der Expelleratoren und das Dröhnen der Bremstriebwerke erfüllten die Stadt. Dieses Geräusch hatte er seit neun Jahren nicht mehr gehört. Also stand ihm Besuch ins Haus. Waren es zufällige Eindringlinge, oder hatte man seine Spur entdeckt? Was wollten sie? Ärger stieg in Muller hoch. Er hatte restlos genug von ihnen und ihrer Welt. Warum wollten sie ihm auch hier keine Ruhe gönnen? Angespannt und breitbeinig stand Muller da. Ein Teil seines Gehirns suchte auch jetzt nach möglichen Gefahren, als er auf den vermutlichen Landeplatz des Schiffes starrte. Er wollte weder mit der Erde noch mit den Erdmenschen etwas zu tun haben. Er stierte finster zu dem trüben Lichtpunkt im Auge der Kröte, in der Stirn des Affen hinauf.
    Sie sollten ihn nicht finden, beschloß er.
    Sie würden im Labyrinth den Tod finden, und ihre Knochen würden Teil der jahrmillionenalten Ansammlung werden, die auf den äußeren Korridoren verstreut lag.
    Und wenn sie den Weg doch finden würden, so wie es ihm gelungen war …
    Nun, dann mußten sie versuchen, mit ihm fertigzuwerden. Und dieser Kampf würde ihnen sicher nicht gefallen. Muller lächelte grimmig, rückte die Fleischpakete auf seinem Rücken zurecht und richtete seine ganze Konzentration wieder auf das Labyrinth. Nach kurzer Zeit befand er sich in der Sicherheit von Zone C. Er erreichte sein Lager und verstaute das Fleisch. Dann bereitete er sein Abendessen vor. Schmerz hämmerte in Mullers Schädel. Nach neun Jahren war er nicht mehr allein auf dieser Welt. Sie besudelten seine Einsamkeit. Wieder einmal fühlte Muller sich hintergangen. Er verlangte nichts weiter von der Erde, als in Ruhe gelassen zu werden. Selbst das verweigerte man ihm. Aber sie sollten es teuer bezahlen, wenn sie es wirklich schaffen sollten, ihn im Labyrinth zu erreichen. Wenn.
     
     
2
     
    Das Schiff war etwas zu spät aus dem Warpflug gekommen und in den äußeren Atmosphärebereichen von Lemnos in das normale Raum-Zeit-Kontinuum eingetreten. Charles Boardman mißbilligte das. Er verlangte bei
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