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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth
Autoren: Robert Silverberg
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Sorte gehört. Ganz sicher auch Dick Muller. Aber er selbst war damals kaum älter als zwölf gewesen, als Muller in die entsetzliche Klemme geraten war, die ihn vollständig aus der Bahn geworfen hatte. Aber, so sagte sich Ned, in einem so jungen Leben schon drei bedeutende Menschen kennengelernt zu haben, das war doch etwas. Er wünschte sich, seine eigene Karriere würde nur halb so beeindruckend werden wie die von Boardman. Natürlich besaß er nicht die Cleverness dieses Mannes, und er hoffte, er würde sie auch nie erlangen. Aber er verfügte über andere Qualitäten – eine gewisse Vornehmheit des Charakters zum Beispiel, an der es Boardman mangelte. Ich kann auf meine eigene Weise von Nutzen sein, dachte Rawlins. Aber dann fragte er sich, ob das nicht vielleicht eine allzu naive Hoffnung war.
    Er atmete die fremde Luft tief ein und starrte in den Himmel, an dem sich unbekannte Sternbilder abzeichneten. Vergeblich suchte er nach einer vertrauten Konstellation. Ein frostiger Wind pfiff über die Ebene. Diese Welt wirkte einsam, desolat und leer. Er hatte in der Schule einiges über Lemnos gelernt: einer der verlassenen, uralten Planeten, auf dem eine unbekannte, fremdartige Rasse gelebt hatte, der aber seit Jahrtausenden unbewohnt war. Nichts erinnerte mehr an die einstige Bevölkerung, bis auf einige Knochenfossilien, Artefaktfragmente und natürlich das Labyrinth. Der tödliche Irrgarten umschloß die Totenstadt, die von der Zeit unberührt schien, wie ein Ring.
    Archäologen hatten aus der Luft Bilder von der Stadt gemacht, sie mit Sensoren untersucht und waren furchtbar enttäuscht worden, da sie nicht gefahrlos in sie eindringen konnten. Das erste Dutzend Expeditionen nach Lemnos war daran gescheitert, einen Weg ins Labyrinth zu finden. Jeder, der eingedrungen war, hatte dabei sein Leben verloren, war Opfer der versteckten Fallen geworden, die so geschickt in den äußeren Zonen angebracht waren. Der letzte Versuch, in die Stadt zu gelangen, war vor etwa fünfzig Jahren unternommen worden. Dann war Richard Muller nach Lemnos gekommen, hatte nach einem Ort gesucht, an dem er sich vor der Menschheit verstecken konnte, und hatte irgendwie den richtigen Weg durchs Labyrinth gefunden.
    Rawlins fragte sich, ob sie bei ihren Bemühungen, mit Muller in Kontakt zu treten, Erfolg haben würden. Er grübelte auch über die Frage nach, wie viele Männer, die mit ihnen gereist waren, beim Eindringen ins Labyrinth ihr Leben lassen mußten. An seinen eigenen Tod dachte er dabei nicht. In seinem Alter war der Tod etwas, das nur anderen Leuten zustieß. Aber einige von den Männern, die jetzt mit dem Aufbau des Camps beschäftigt waren, würden in wenigen Tagen tot sein.
    Während er noch seinen Gedanken nachhing, erschien ein Tier. Es trabte hinter einem sandigen Hügel hervor, nicht weit von Ned. Neugierig beobachtete Rawlins das fremdartige Lebewesen. Es erinnerte ein wenig an eine große Katze, aber es konnte seine Krallen nicht einziehen. In seinem Maul blitzten grünliche Zähne auf. Leuchtende Streifen gaben seinem schlanken Körper ein buntes Aussehen. Rawlins wußte keine Antwort darauf, wie solch ein leuchtendes Fell einem Raubtier bei der Jagd von Nutzen sein konnte … es sei denn, es diente als eine Art Köder.
    Das Tier kam bis auf einige Meter an Ned heran. Es warf ihm einen kurzen Blick zu, in dem aber nicht das geringste Interesse steckte, wandte sich dann mit einer graziösen Bewegung ab und trottete auf das Schiff zu. Von dem Tier ging eine Kombination aus fremdartiger Schönheit, Macht und Bedrohlichkeit aus, die nicht ohne Reiz war.
    Jetzt näherte es sich Boardman. Der Mann zog seine Waffe.
    „Nein!“ Rawlins hörte überrascht seinen eigenen Ruf. „Töten Sie es nicht, Charles! Es will uns doch nur aus der Nähe anschauen!“
    Boardman drückte ab.
    Das Tier sprang hoch in die Luft, krümmte sich und fiel mit ausgestreckten Gliedern auf den Boden zurück. Rawlins rannte darauf zu. Der Schock drohte ihn zu lähmen. Es hatte keinen Grund für diesen Mord gegeben, dachte er. Das Tier wollte uns doch nur aus der Nähe beschnüffeln. Wie verbrecherisch, es einfach zu erschießen.
    „Hätten Sie nicht eine Minute warten können, Charles?“ platzte es aus ihm heraus. „Vielleicht wäre es ja von selbst wieder verschwunden! Warum nur …“
    Boardman lächelte. Er gab einem Mannschaftsmitglied ein Zeichen, das ein Schaumnetz über das Tier spritzte. Es regte sich matt, als der Mann es ins Schiff
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