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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth
Autoren: Robert Silverberg
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allen Tätigkeiten den höchstmöglichen Standard von sich und erwartete von allen anderen das gleiche. Besonders von den Piloten.
    Boardman verbarg seinen Mißmut und schaltete den Bildschirm ein. An einer Wand seiner Kabine leuchtete das bunte Bild des unter dem Schiff schwebenden Planeten auf. Kaum eine Wolke bedeckte seine Oberfläche. Boardman hatte klare Sicht durch die Atmosphäre. Im Zentrum einer weiten Ebene erhob sich eine Ansammlung von Furchen, deren Umrisse noch aus einer Höhe von hundert Kilometern scharf ausgeprägt waren. Boardman wandte sich dem jungen Mann an seiner Seite zu und sagte: „Da sind wir, Ned: das Labyrinth von Lemnos. Und Dick Muller mittendrin!“
    Ned Rawlins spitzte die Lippen. „So groß? Es muß einen Durchmesser von einigen hundert Kilometern haben!“
    „Was Sie dort unten sehen, ist die äußere Wallanlage. Das eigentliche Labyrinth wird von einem konzentrischen Ring aus Erdaufschüttungen umgeben, der fünf Meter hoch ist und dessen äußerer Umfang fast tausend Kilometer beträgt. Doch …“
    „Ja, ich weiß“, unterbrach Rawlins erregt. Ohne Übergang war er tiefrot angelaufen … mit der eindringlichen Unschuld, die Boardman so charmant fand und bald einzusetzen gedachte. „Tut mir leid, Charles, ich wollte nicht unhöflich sein.“
    „Ist schon in Ordnung. Was wollten Sie denn wissen?“
    „Dieser dunkle Punkt dort innerhalb der Außenwälle – ist das die eigentliche Stadt?“
    Boardman nickte. „Das ist das innere Labyrinth. Mit einem Durchmesser von zwanzig bis dreißig Kilometern. Und nur Gott allein weiß, wie viele Millionen Jahre es alt ist. Dort werden wir Muller finden.“
    „Falls wir hineingelangen.“
    „Sobald wir hineingelangt sind.“
    „Ja. Natürlich. Richtig, sobald wir hineingelangt sind“, verbesserte sich Rawlins und errötete wieder. Auf seinen Lippen erschien ein rasches, ernstes Lächeln. „Die Möglichkeit, daß wir den Eingang nicht finden, ist von vornherein auszuschließen, nicht wahr?“
    „Muller hat ihn gefunden“, sagte Boardman ganz ruhig. „Er lebt heute mittendrin.“
    „Aber er war der erste, dem das gelungen ist. Jeder andere, der den Versuch unternommen hat, ist gescheitert. Warum sollten wir also …“
    „So viele haben es nun auch wieder nicht versucht“, entgegnete Boardman. „Und die, die sich daran gemacht haben, waren für die auftauchenden Schwierigkeiten nicht genügend ausgerüstet. Uns wird es gelingen, Ned. Wir werden es schaffen. Uns bleibt gar keine andere Wahl. Entspannen Sie sich nun und genießen Sie die Landung.“
    Das Schiff flog jetzt den Planeten an. Der Abstieg ging ein wenig zu rasch vor sich, dachte Boardman, während er unter der abrupten Geschwindigkeitsverzögerung litt. Er haßte Sternreisen, und am allermeisten daran haßte er die Landungen. Aber diesen Flug hatte er nicht vermeiden können. Er lehnte sich in seinem Netzschaumsitz zurück und schaltete den Schirm aus. Ned Rawlins saß immer noch aufrecht da, und seine Augen glühten vor Erregung. Wie wunderbar war es doch, jung zu sein, dachte Boardman und wußte nicht, ob er das nun sarkastisch gemeint hatte oder nicht. Sicher, der Junge war gesund und kräftig … und intelligenter, als es manchmal den Anschein hatte. Ein vielversprechender, ein guter Junge, wie man ihn wohl vor ein paar Jahrhunderten beurteilt hätte. Boardman konnte sich nicht erinnern, selbst einmal ein solcher junger Mann gewesen zu sein. In seinen Augen war er immer ein Mann in mittleren Jahren gewesen: berechnend, kalkulierend, ein Mann, der genau wußte, was er wollte. Boardman war jetzt achtzig und hatte damit fast sein halbes Leben hinter sich. Doch nicht einmal in seiner ehrlichsten Selbsteinschätzung hielt er es für möglich, daß sich seit seinem zwanzigsten Geburtstag etwas Bedeutendes in seiner Persönlichkeit verändert hatte. Natürlich hatte er dazugelernt, beherrschte jetzt das Kunstwerk, Menschen zu führen und anzuleiten. Und weiser war er auch geworden. Aber in seinem Charakter hatte es keine grundlegende qualitative Veränderung gegeben. Der junge Ned Rawlins dagegen würde in etwa sechzig Jahren, von jetzt an gerechnet, eine ganz andere Person sein, und kaum etwas von der jugendlichen Unreife und Unerfahrenheit dieses Augenblicks würde überleben. Boardman erwartete, und er war darüber nicht allzu glücklich, daß die anstehende Mission die Feuerprobe sein würde, die die Unschuld des Jungen hinwegfegte.
    Als das Schiff in die letzte
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