Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Autoren: Sloan Wilson
Vom Netzwerk:
Flanellanzug trug. Dann begegnete ich Caesar, der einen Fahrstuhl fuhr. Er ist derjenige, der von Maria wusste – mit ihm war ich die meiste Zeit des Krieges zusammen. Da war also Caesar in seiner violetten Uniform, und er starrte mich in meinem grauen Flanellanzug an und erinnerte mich daran, erinnerte mich immerzu, dass ich fast jeden, den ich kannte, täuschte.«
    »Hätte ich dir doch nur helfen können.«
    »Du hast mir geholfen – du und Caesar. Ich brauchte eine Menge Unterstützung, um ein ehrlicher Mann zu werden. Wenn du mich nicht überzeugt hättest, Ralph gegenüber ehrlich zu sein, würde ich jetzt anders denken. Durch einen merkwürdigen Zufall waren Ralph und ein Großteil der übrigen Welt ehrlich mit mir, seit ich ehrlich zu mir selbst geworden bin. Und wenn ich Caesar nicht begegnet wäre, hätte ich wohl nie den Mut gehabt, dir von Maria zu erzählen. Ich hätte so weitergemacht, wäre immer bitterer geworden, immer zynischer, und ich weiß nicht, wo das noch geendet hätte. Aber jetzt weiß ich, dass es besser wird. Ich bin schon fast Optimist geworden.«
    »Ich bin froh, dass wir jetzt eine Woche für uns haben. Wohin in Vermont fahren wir?«
    »Ich kenne ein Plätzchen, wo wir eine Hütte an einem See ganz weit weg von allem mieten können. Um diese Jahreszeit wird das Laub der Bäume in den Hügeln herrlich sein. Wenn wir noch ein paar Tage Altweibersommer haben, ist es vielleicht auch nicht zu spät zum Schwimmen. Die Nächte werden kühl sein, und wir werden am offenen Kaminfeuer schlafen.«
    »Liebst du mich?«
    »Ein bisschen.«
    »Zieh mich nicht auf. Magst du, wie ich aussehe?«
    »Du bist schön. Es hat dir nie gefallen, wenn ich dir das gesagt habe.«
    »Aber jetzt will ich es hören. Oft. Sag mir noch mal, dass ich schön bin.«
    »Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, bist du mir eine Freude. Jeden Abend, wenn ich aus dem Zug steige und dich sehe, will ich es dir sagen. Ich habe es jahrelang nicht gemacht, weil du mir mal gesagt hast, dass du lieber andere Komplimente hören würdest.«
    »Als ich beschlossen habe, dumm zu sein, habe ich es anscheinend gleich richtig gemacht.«
    »Du warst nicht so dumm wie ich«, sagte er, zog sie zu sich in das duftende Gras herunter und küsste sie. Ein Windstoß ließ die langen Grashalme um ihn herum erzittern. Sie erschauerte. »Dir ist kalt«, sagte er. »Ich bringe dich jetzt hinein.«
    »Nein. Halt mich fest.«
    »Du zitterst ja. Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Mir ist, als wären wir fast gestorben und dann gerettet worden.«
    »Wir brauchen uns jetzt keine Sorgen mehr zu machen. Egal, was passiert, wir müssen für vieles dankbar sein.«
    »Wenn ich daran denke, was du alles durchgemacht hast, bekomme ich Angst.«
    »Nicht doch. Die Toten lachen eben doch nicht zuletzt. Die Kinder der Toten und die Überlebenden, die lachen zuletzt, und ihr Gelächter ist nicht sarkastisch. Seit du heute Nacht zu mir zurückgekommen bist, denke ich an eine Zeile aus einem Gedicht, die ich immer ironisch und bitter fand. Aber so klingt sie für mich jetzt nicht mehr. Heute Nacht finde ich, wenigstens für eine Weile, dass sie wahr ist.«
    »Wie geht sie?«
    »›Gott ist im Himmel‹«, sagte er, »›mit der Welt alles gut.‹«

41
    Um halb zwölf Uhr am nächsten Vormittag bekam Richter Saul Bernstein einen Anruf von Tom Rath. »Ich bin gerade im Begriff, eine Woche zu verreisen, aber vorher würde ich noch gern bei Ihnen vorbeischauen«, sagte er. »Ich bräuchte bei einem sehr persönlichen Problem Ihre Hilfe.«
    »Kommen Sie nur«, sagte Bernstein. »Ich erwarte Sie.« Er legte auf und versuchte, sich auf die Steuererklärung zu konzentrieren, die er für einen Klienten fertig machte. Toms Anruf beunruhigte ihn. Er hatte schon viele erlebt, die ihn telefonisch bei einem »sehr persönlichen Problem« um Hilfe gebeten hatten, und auch die angekündigte Reise, die Tom erwähnt hatte, war ein schlechtes Zeichen. Für Bernstein klang das alles nach den üblichen Präliminarien einer Scheidung. Scheidungen machten Bernstein immer traurig, und die Vorstellung, dass Betsy und Tom ihre Ehe auflösten, plagte ihn besonders. Er mochte sie und fand, dass sie mit drei kleinen Kindern nicht das Recht hatten, sich zu trennen. Was ich wohl tun könnte, um es ihnen auszureden, dachte er, und spürte einige warnende Schmerzzuckungen im Magen.
    Als Tom zehn Minuten später in sein Vorzimmer kam, stellte Bernstein überrascht fest, dass er für einen, der kurz vor einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher