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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Autoren: Sloan Wilson
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Scheidung stand, unanständig fröhlich wirkte.
    »Guten Morgen!«, tönte Tom herzhaft. »Schöner Tag, nicht?«
    »Ja«, sagte Bernstein beklommen. »Was kann ich denn für Sie tun?«
    »Hätten Sie was dagegen, wenn wir in Ihr Büro gehen?«, fragte Tom mit Blick auf Bernsteins Sekretärin.
    »Nein«, sagte Bernstein. »Nach Ihnen.« Jetzt tat sein Magen richtig weh. Leute, die in sein Büro wollten, noch bevor sie den Inhalt ihres Anliegens nannten, wollten sehr oft die Scheidung besprechen. Er folgte Tom in den kleinen, buchgesäumten Raum, dann setzten sie sich beide.
    »Ich komme damit zu Ihnen, weil es ein wenig peinlich wäre, es mit Fremden zu besprechen. Bestimmt verstehen Sie das«, begann Tom.
    »Hoffentlich«, sagte Bernstein voller Zweifel.
    »Die Sache ist die. Während des Krieges bekam ich in Italien einen unehelichen Sohn. Er beschäftigt mich sehr, aber erst seit kurzem habe ich absolute Gewissheit, dass es ihn gibt. Nun möchte ich seiner Mutter als Unterstützung monatlich hundert Dollar schicken – sie sind wirklich bedürftig. Wenn unser Bauprojekt durchgeht, werde ich ein Treuhandkonto einrichten, vorerst aber möchte ich es von meinem Einkommen nehmen. Ich glaube, es wäre für alle Beteiligten weniger peinlich, wenn wir es einrichten könnten, dass die Schecks regelmäßig über eine Bank hingeschickt werden, oder vielleicht könnten auch Sie es machen.«
    »Möchten Sie diese Zuwendungen anonym halten?«, fragte Bernstein ein wenig zurückhaltend.
    »Um der guten Sitten willen möchte ich nicht, dass es in der ganzen Stadt erörtert wird, und der Diskretion der hiesigen Bank vertraue ich doch nicht so recht, aber die Person, die das Geld erhalten soll, wird wissen, von wem es ist. Es ist unnötig, es vor ihr geheim zu halten.«
    Bernstein räusperte sich. »Sie beabsichtigen, das zu einem dauerhaften Arrangement zu machen?«, fragte er.
    »Gewiss. Wenigstens so lange, bis der Junge seine Ausbildung beendet hat.«
    »Es wäre eventuell möglich, dass Sie erhebliche Steuervorteile bekämen, wenn Sie das Kind als unterhaltsberechtigt erklären«, sagte Bernstein. »Das sollten Sie berücksichtigen, wenn Sie etwas Langfristiges planen.«
    »Daran hatte ich gar nicht gedacht«, erwiderte Tom. »Regeln Sie das für mich, wenn Sie können, ja? Da kann ich auch gleich alle Steuervorteile mitnehmen, die es gibt.«
    »Dazu könnte es notwendig sein, dass Sie die Vaterschaft anerkennen«, sagte Bernstein. »Das könnte für Sie künftige Ansprüche seitens der Kindesmutter nach sich ziehen, und es könnten sich für Sie gewisse Probleme bei der Steuererklärung ergeben.«
    »Künftige Ansprüche bereiten mir keine Sorgen. Was wäre die Schwierigkeit bei der Steuererklärung?«
    »Es könnte schwierig werden, die Angelegenheit hier vollständig geheim zu halten«, sagte Bernstein etwas verlegen. »Besonders, wenn Sie eine gemeinsame Steuererklärung machen, die auch Ihre Frau unterschreiben muss.«
    »Betsy weiß schon alles«, sagte Tom. »Sie und ich machen das gemeinsam.«
    »Ach ja?«, sagte Bernstein, außerstande, seine professionelle Distanziertheit weiter aufrechtzuerhalten.
    »Ich weiß, das muss Ihnen etwas merkwürdig erscheinen«, sagte Tom, »aber ich habe während des Krieges in Italien eine junge Frau kennengelernt, und ich habe Betsy alles erzählt. Das Kind dieser Frau braucht Hilfe, und Betsy und ich werden sie ihm gewähren. Das mag ein wenig unkonventionell sein, aber uns erscheint es als schlichte Gerechtigkeit.«
    Einen Augenblick lang sagte Bernstein nichts. Sein Schweigen als Missbilligung fehlinterpretierend, sagte Tom ein wenig steif: »Das ist für mich eine Gewissenssache, und ich habe nicht vor, mich dafür zu rechtfertigen. Betsy und ich fahren am Nachmittag nach Vermont, und ich fände es schön, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass die Schecks abgeschickt werden. In dem Umschlag hier habe ich Geld für drei Monate mitgebracht sowie Namen und Adresse der Empfängerin. Was berechnen Sie mir für diese Angelegenheit?«
    »Nichts«, sagte Bernstein.
    »Was?«
    »Keine Gebühr.«
    »Warum nicht?«
    Bernstein lächelte. »Ich mag das, was Sie ›schlichte Gerechtigkeit‹ nennen«, sagte er. »Womit ich in der Regel zu tun habe, ist immer so komplex.«
    »Danke«, sagte Tom. Plötzlich war die Luft mit Gefühlen aufgeladen. Bernstein stand auf, und Tom ergriff seine Hand. »Danke!«, sagte er noch einmal. »Jetzt muss ich aber los. Betsy war einkaufen, und wahrscheinlich
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