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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug
Autoren: Agatha Christie
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gespielter Empörung.
    «Ich schlage Ihnen einen Tauschhandel vor: die Diamanten gegen Ihr Leben. Und eines müssen Sie dabei ganz klar sehen: Ihr Leben befindet sich völlig in meiner Gewalt.»
    «Und Harry?»
    «Ich bin viel zu weichherzig, um zwei junge Liebende zu trennen. Auch er soll frei ausgehen, natürlich unter der Bedingung, dass Sie beide nie mehr meinen Weg kreuzen.»
    «Was für eine Garantie habe ich denn, dass Sie Ihr Wort halten werden?»
    «Überhaupt keine, meine Liebe. Sie müssen sich einfach auf mein Versprechen verlassen. Doch vielleicht ziehen Sie einen heroischen Tod vor?»
    Ich tat so, als ginge ich nur ungern auf seinen Vorschlag ein. Erst allmählich gab ich seinen schmeichlerischen Worten nach und schrieb schließlich nach seinem Diktat:
     
    Lieber Harry,
    ich habe eine Möglichkeit entdeckt, deine völlige Unschuld zu beweisen. Dazu musst du Folgendes tun: Geh in Agrasatos Antiquitätengeschäft und verlange dort ‹etwas ganz Besonderes für eine spezielle Gelegenheit› zu sehen. Der Besitzer wird dich sogleich in das Hinterzimmer führen. Dort wartet ein Bote, der dich zu mir bringen wird. Mach alles, was er dir sagt, und vergiss nicht, unbedingt die Diamanten mitzubringen. Doch vor allem: Kein Wort darüber zu irgendeinem Menschen!
     
    Sir Eustace streckte seine Hand nach dem Brief aus und las ihn aufmerksam durch. Dann drückte er auf einen Knopf an seinem Schreibtisch. Chichester/Pettigrew alias Minks kam herein.
    «Dieser Brief ist sofort zu überbringen.»
    «Sehr wohl, Colonel.»
    Minks schaute auf die Adresse. Sir Eustace beobachtete ihn.
    «Ein Freund von Ihnen, wie es scheint?»
    «Von mir?» Minks blickte verwirrt auf.
    «Hatten Sie nicht gestern eine längere Unterredung mit ihm?»
    «Ein Mann folgte mir und wollte Verschiedenes über Sie und über Colonel Race wissen. Ich gab ihm natürlich falsche Auskünfte.»
    «Ausgezeichnet, mein lieber Freund, ganz ausgezeichnet», sagte Sir Eustace. «Ich habe mich geirrt.»
    Als Chichester/Pettigrew hinausging, sah ich ihn kurz an. Er war kreideweiß, und sein Blick verriet tödliche Angst. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, hob Sir Eustace den Telefonhörer ab und sagte kurz: «Sind Sie am Apparat, Schwart? Minks ist unter Beobachtung zu stellen; er darf das Haus ohne strikten Befehl von mir nicht verlassen.»
    Er legte den Hörer wieder auf und klopfte nachdenklich mit den Fingern auf den Tisch.
    «Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Sir Eustace?»
    «Aber gewiss, meine Liebe! Ich muss Ihnen das Kompliment machen, dass Sie ausgezeichnete Nerven besitzen. In der Lage, in der die meisten Mädchen jammern und betteln würden, sind Sie imstande, ein gelassenes, sachliches Interesse zu zeigen.»
    «Weshalb haben Sie Harry Rayburn als Sekretär angenommen, statt ihn sofort der Polizei zu übergeben?»
    «Ich wollte doch diese verfluchten Diamanten haben! Nadina, dieser kleine Satan, hat Ihren Harry gegen mich ausgespielt. Sie drohte mir, ihm die Steine zu verkaufen, wenn ich ihr nicht einen enormen Preis dafür bezahlte. Damals habe ich einen zweiten Fehler begangen: Ich war überzeugt, dass sie die Diamanten bei sich habe. Aber sie war zu schlau dazu. Dann kam auch Carton, ihr Mann, ums Leben, und ich hatte keine Ahnung mehr, wo sich die Steine befinden könnten. Doch ich hatte bei Nadina die Abschrift eines Telegramms gefunden, das ihr jemand von Bord der Kilmorden geschickt hatte und das die Worte siebzehn eins zwe i undzwanzig enthielt. Ich vermutete, dass es sich um eine Verabredung mit Rayburn handle, und fand meine Ansicht bestätigt, als er alles versuchte, um mit der Kilmorden zurückzufahren. Daher gab ich mir den Anschein, als würde ich seinen Worten glauben, und nahm ihn als zweiten Sekretär mit. Ich hoffte, durch ihn zu dem Versteck zu gelangen. Dann entdeckte ich Minks auf dem Schiff, der sein eigenes Spiel versuchte und mir dadurch in die Quere kam. Das habe ich rasch abgestellt, und er kroch ganz brav zu Kreuze. Es war sehr unangenehm für mich, dass ich mir die Kabine siebzehn nicht sichern konnte. Und außerdem tauchten plötzlich Sie auf, und ich wusste Sie nirgends unterzubringen. Als Rayburn in der Nacht vom Zweiundzwanzigsten seine Kabine verließ, um die Verabredung einzuhalten, ist ihm Minks auf meinen Befehl gefolgt. Doch er hat die Sache natürlich gründlich vermasselt.»
    «Wieso aber stand in dem Telegramm siebzehn statt ei n undsiebzig?»
    «Ich habe darüber nachgedacht. Es kann sich
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