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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug
Autoren: Agatha Christie
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Haus findet, ist es aus mit mir – mit Ihnen aber auch, mein Freund. Im nächsten Zimmer befindet sich eine Dachluke; geben Sie mir ein paar Minuten Vorsprung, und ich bin in Sicherheit. Meine Vorbereitungen für den Notfall sind längst getroffen. Lassen Sie mir diesen Ausweg, und ich gebe Ihnen dafür ein unterzeichnetes Dokument, dass ich Nadinas Mörder bin.»
    Das Krachen von splitterndem Holz ertönte, und eilende Füße jagten die Treppe herauf. Harry zog den Riegel zurück. Colonel Race war der Erste, der ins Zimmer stürzte. Sein Gesicht hellte sich auf, als er uns erblickte.
    «Gott sei Dank, Anne, Sie sind unverletzt! Ich hatte solche Angst.» Er wandte sich an Sir Eustace. «Ich bin lange hinter Ihnen her gewesen, Pedler. Endlich haben wir Sie.»
    «Hier scheint alles verrückt zu spielen!», rief Sir Eustace. «Diese beiden jungen Leute bedrohen mich mit einem Revolver und erheben die unsinnigsten Anschuldigungen. Ich verstehe nicht, was das alles bedeuten soll.»
    «Nein, verstehen Sie wirklich nicht? Dann will ich es Ihnen erklären. Es bedeutet zum einen, dass wir den ‹Colonel› zur Strecke gebracht haben. Es bedeutet ferner, dass Sie am 8. Januar nicht an der Riviera, sondern in Marlow waren. Es bedeutet, dass Sie Ihr Werkzeug, Madame Nadina, ermordeten, als sie Ihnen gefährlich wurde – und dass wir endlich die Beweise dafür erbringen können.»
    «Tatsächlich? Und wer hat Ihnen all diese interessanten Informationen verschafft? Der junge Mann hier, der von der Polizei gesucht wird? Seine Aussage wird nicht sehr glaubhaft klingen.»
    «Wir haben andere Zeugen – einen Mann, der wusste, dass Nadina eine Verabredung mit Ihnen im Haus zur Mühle in Marlow hatte.»
    Sir Eustace blickte erstaunt auf, und Colonel Race machte eine Handbewegung. Arthur Minks alias Reverend Chichester alias Miss Pettigrew trat einen Schritt vor. Er war bleich und erregt, aber er sprach klar und deutlich: «Ich traf Nadina am Vorabend ihrer Abreise nach England. Damals trat ich als russischer Graf auf. Sie sagte mir, was sie vorhatte. Ich warnte sie, weil ich wusste, mit wem sie sich einlassen wollte, aber sie schlug meine Warnung in den Wind. Als sie tot war, versuchte ich selber an die Diamanten heranzukommen; deshalb fuhr ich mit der Kilmorden. In Johannesburg trat Mr Rayburn an mich heran, und ich entschloss mich, auf die Seite des Rechts überzugehen.»
    Sir Eustace starrte ihn an. «Die Ratten verlassen das sinkende Schiff», murmelte er.
    «Auch ich habe noch eine Überraschung für Sie, Sir Eustace», sagte ich. «Der Film, den Sie in Ihrem Besitz haben, enthält keineswegs Diamanten, sondern nur gewöhnliche Kieselsteine. Die Diamanten sind an einem sicheren Ort. Um es Ihnen genau zu sagen, sie stecken im Bauch der großen Giraffe. Mrs Blair hat sie ausgehöhlt, die Steine in Watte verpackt, damit sie nicht klirren, und den Hals wieder festgeklebt.»
    Sir Eustace sah mich eine Weile an, dann sagte er: «Ich habe dieses Vieh schon immer gehasst, das muss geradezu Vorahnung gewesen sein.»

34
     
    In dieser Nacht konnten wir nicht nach Johannesburg zurückkehren, weil die Rebellen einen Teil des Vororts besetzt hatten. Unsere Zufluchtsstätte war eine Farm, die etwa zwanzig Meilen von Johannesburg entfernt lag. Ich fiel vor Erschöpfung beinahe um. All die Aufregungen und Ängste der letzten Tage waren doch zu viel für mich gewesen.
    Sir Eustace war unter sicherer Bewachung in die entgegengesetzte Richtung abtransportiert worden.
    Immer wieder sagte ich mir, dass unsere Sorgen vorüber seien, doch ich vermochte es noch nicht wirklich zu glauben. Harry und ich waren wieder vereint, und nichts sollte uns mehr trennen. Und dennoch fühlte ich eine Schranke zwischen uns, eine Zurückhaltung von seiner Seite, die mir unverständlich war.
    Am folgenden Morgen stand ich schon frühzeitig auf der Terrasse und blickte über das Buschland nach Johannesburg. Ich hörte das dumpfe Grollen der Geschütze. Die Revolution war noch nicht beendet.
    Die Farmersfrau rief mich zum Frühstück. Sie war eine warmherzige, mütterliche Seele, die mich bereits ins Herz geschlossen hatte. Wie sie mir berichtete, war Harry schon vor Stunden weggegangen und noch nicht zurückgekehrt. Wieder überfiel mich die Unsicherheit. Was für ein Schatten hatte sich zwischen uns geschlichen?
    Später setzte ich mich erneut auf die Terrasse und nahm ein Buch zur Hand; doch zu lesen vermochte ich nicht. Ich war so in meine trüben Gedanken
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